Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Sehnen hatte er deutlich gespürt. Sie hatte versucht, ihre Gefühle zu verbergen, weil sie glaubte, ihre Liebe wäre ihm peinlich.
Charly hätte ihn wohl auch willkommen geheißen. Ganz sicher war er sich nicht. Eine Nacht voller Liebe würde ihr gut tun. Er sorgte sich ein wenig, daß die herbe Kritik von Orvens sie in eine unnahbare alte Jungfer verwandeln mochte, die sich nie mehr einem Mann stellen würde. Eine Verschwendung. Sie hatte soviel zu geben. Der Mann war ein Idiot.
Doch er würde nicht mehr lange ein Idiot sein. Schließlich gab es einen ausgezeichneten Grund, ihn zu beseitigen. Mit ihm würde das Wissen um die Technik jener Maschine vollständig eliminiert sein.
Von weitem sah er einen Bauernknecht mit seiner Laterne durch die Dunkelheit am Seeufer gehen. Hunger. Der Vampir war noch nicht satt. Die letzten Tage hatten ihn gierig gemacht. Wie ein schwarzer Blitz schoß er vor, ein Schatten in Sturmgeschwindigkeit. Einen Moment später war der Mann in seinem Griff.
Eine Mahlzeit, mehr nicht. Einfache Kost. Starkes Blut. Die Macht der Berge konnte man im Blut ihrer Bewohner schmecken. Charly schmeckte nach dem wilden Land, und dieser Mann ebenso.
Er ließ ihn zu Boden gleiten und überprüfte seine Lebenszeichen. Er lebte, und schon lief Arpad weiter, ließ den Mann neben seiner Laterne liegen, hatte ihn bereits vergessen. Nicht wichtig, nur ein Imbiß.
Er müßte nun wirklich genug haben. Doch die pure Gier brannte in ihm.
Einen weiteren Spaziergänger würde er kaum finden. Die Landbevölkerung lief des Nachts nicht in den Bergen herum. Sie hatten Angst vor Geistern, vor verborgenen Gefahren der Nacht.
Als nächstes würde er in ein Bauernhaus einbrechen müssen, eine Frau für sich finden oder einen Mann. Mehr Blut. Völlerei nannten es die Menschen, wenn man über den eigentlichen Hunger hinaus aß, nur um des Genusses willen, um den Geschmack auf der Zunge zu spüren. Für sie war es eine Sünde, so wie auch die Liebe.
Doch um über die Liebe zu philosophieren war es der falsche Zeitpunkt, sinnlos ohne Charly oder Sophie. Er war allein, und Cérise hatte keinen Sinn für Philosophie. Eine Diskussion über die Sünde würde vom Theoretischen schnell ins Praktische abdriften. Er lächelte.
Nun hatte er das Dorf erreicht. In keinem der Fenster schien noch Licht, und so glitt er durch die Dunkelheit, spürte, horchte, witterte, durchforstete die Nachtluft nach Spuren eines Dufts, der ihm gefiel. Hunger fühlte er nicht mehr. Hier ging es um Genuß, Vergnügen, einen Nachtisch, sozusagen. Ein hübsches, junges Mädel vielleicht, oder ein starker, dickschädeliger junger Mann. Mit blondem Haar und mißbilligenden Aquamarinaugen.
Er schob das Bild aus seinem Sinn, versuchte die Erinnerung an dessen Bukett aus dem Gedächtnis zu verdrängen. Er mochte den Jungen wirklich nicht, doch seine Intensität hatte etwas ausgesprochen Würziges. Diese Würze lockte, war eine aromatische, pikante Verführung. Noch vor einem halben Jahr war der Mann nicht halb so interessant gewesen, war nichts gewesen als ein überromantischer Jungspund mit einem verklemmten, vorurteilszerfressenen Herzen. Ein halbes Jahr reichte, um einen Menschen zu ändern.
Er sollte seine Zeit wirklich nicht mit Gedanken an Leutnant Asko von Orven verschwenden. Der Mann mochte längst tot sein, und sollte er noch leben, so war er doch im Moment nicht greifbar, um ein saftiges Dessert abzugeben. Schade eigentlich.
Vorsichtig überquerte er die Brücke über die Traun, den Fluß, der aus dem Grundlsee abfloß. Das Wasser unter ihm irritierte ihn. Zuviel Wasser, zuviel Gewalt, zuviel Macht für eine Mücke, die ausflog, um in einer einzigen Herbstnacht nach etwas Blut zu suchen.
Er spürte das Jammern, bevor er es noch hörte. Es war kaum hörbar, wurde von der Vehemenz des gurgelnden, reißenden Alpenstroms überdeckt, der unter der Brücke hindurchdonnerte. Arpad verließ das Holzkonstrukt und lenkte seine Schritte zum Flußufer. Das Klagen wurde im wilden Wasser entlanggerissen und von dannen gespült.
Er rannte, sprang in langen Sätzen flußabwärts, versuchte, auf gleicher Höhe zu bleiben und doch gleichzeitig einen gesunden Abstand zum Wasser einzuhalten. Wie ein Pfeil flog er durch die Nachtschatten. Sie würde näher ans Ufer kommen müssen. Er konnte keinesfalls zu ihr ins Wasser. Schon die Nähe der Fluten brachte ihn in Gefahr.
Er rannte und sprang neben dem Fluß entlang, erreichte eine Position parallel zu ihr und
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