Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Mann, den er als Schutzschild ausgesucht hatte, kleiner war als er selbst.
Auch nicht gut.
Ein zweiter Schuß gellte, und die Pistole flog dem Soldaten aus der Hand. Der Mann schrie und fluchte, und der Geruch von Blut, würzig und einladend, erfüllte die Luft. Delacroix hatte aus seiner Deckung hervor geschossen. Das war nett von ihm gewesen, jedoch nicht klug. Nun hatte er die Aufmerksamkeit wieder auf das Innere des Hauses gelenkt.
Der Schuß und der Schock, einen der ihren verwundet zu sehen, lockerte das mentale Netz, das Arpad den Gemütern der Soldaten übergeworfen hatte. Ihre ruhige Benommenheit wandelte sich in Überraschung und Ärger. Wieder konzentrierte sich Arpad, während er immer noch den befehlshabenden Offizier in seinem krallenbewehrten Griff festhielt.
Ganz ruhig, flüsterte er mit dem Wind. Ganz – ruhig.
Die Sonne erhob sich hinter dem Berg, und die ersten Strahlen strahlend hellen Lichts schienen direkt in seine Augen. Die Welt wurde weiß.
Kapitel 60
Es war beileibe keine strategische Meisterleistung. McMullen und die beiden Bayern ritten mitten in das Kampfgetümmel hinein und sorgten für noch mehr Verwirrung.
Ein verwundeter Soldat lag vor der Eingangstür zum Wirtshaus. Jemand brüllte Befehle. Drei der österreichischen Soldaten stürmten eben mit gezogenen Waffen auf diese Tür zu. Wieder fiel ein Schuß. Er kam von einem der mit Läden verschlossenen Fenster. Delacroix.
McMullen war erstaunt, daß die Poststation nicht längst erstürmt war. Die Truppe war zahlenmäßig überlegen, und ein einzelner Mann, der aus einem Fenster schoß, konnte sie nicht so durcheinander gebracht haben.
Erst da erblickte er den Feyon. Er stand ganz an die Hauswand gequetscht, versuchte tastend, einen schattigen Platz zu finden. So weit in den Hintergrund war er zurückgewichen, daß er kaum wahrzunehmen war. Ein Teil des Hauses war er, ein Aspekt der Landschaft. Kulisse.
Die Soldaten sahen ihn nicht. Er sie freilich auch nicht. Seine Augen waren gegen die blendende Morgensonne geschlossen. Seine Lippen waren geöffnet, als wolle er seine Umgebung schmecken, anstatt sie zu sehen. Brandblasen formten sich auf seinen Wangen. Bald würde er aussehen wie ein gekochter Hummer.
McMullen ließ seine Sinne über die Szene gleiten und fühlte zwei Emanationen menschlicher Arkanwissenschaft. Zwei Männer waren geschützt. Der Rittmeister gab Order, den Sí festzunehmen. Er konnte ihn sehen und nicht begreifen, daß seine Männer ihn nicht sahen.
Mitten in diesem Durcheinander befanden sich nun McMullen und die Offiziere.
Die Kampfrichtung änderte sich. Die Österreicher drehten sich den Neuankömmlingen zu, und McMullen wob Schlaf und Ruhe. Drei Männer immerhin setzten sich daraufhin auf den Boden und machten es sich gemütlich. Vier. Leutnant von Görenczy war eben vom Pferd geglitten, ruhte sich nun ebenfalls im Grase liegend aus und wirkte dabei ausgesprochen fröhlich und zufrieden.
Das war schiefgegangen.
Doch es war schwierig, eine ganze Gruppe zu manipulieren und gleichzeitig einzelne davon auszunehmen.
Leutnant von Orven war vom Pferd gesprungen und hatte die Waffenhand des Rittmeisters gefaßt und hochgezogen, um ihm das Ziel zu nehmen. Der Mann hatte eben auf den Sí feuern wollen. Der Vampir schien die Gefahr gespürt zu haben – vielleicht auch die Rettungsaktion, denn er kroch beinahe unsichtbar weiter an der Wand entlang, verwob sein Bild mit dem Hintergrund und sandte die Wahrnehmung von Nichts aus.
Doch das half nur bei den Männern, die nicht geschützt waren.
McMullens Pferd scheute ob des Durcheinanders – Männer, Kampflärm, andere Pferde. Er verlor seinen Halt und krachte einen Augenblick später auf den taunassen Boden. Der Aufschlag raubte ihm den Atem. Eine wertvolle Sekunde lang verlor er alle Kraftlinien, die er über die Gruppe gesponnen hatte, aus den Händen.
Zwei Männer packten von Orven an den Armen, zerrten ihn von ihrem Vorgesetzten weg. Der Bayer kämpfte und wehrte sich, doch gleich kamen noch zwei Österreicher hinzu, um ihren Kameraden zu helfen, und es regnete ein paar wohlgezielte Hiebe auf den Kopf und den Magen des jungen Mannes.
Wieder knallte ein Schuß, diesmal von einem Fenster im ersten Stock. Der hohe, scharfe Klang verriet die kleine Derringer der Sängerin. Sie sollte es besser wissen, als auf sich aufmerksam zu machen. Doch natürlich mußte sie sich einmischen, überschätzte ihre Kampfkraft und unterschätzte gleichzeitig die Gefahr –
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