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Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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exponiert vor. Der kühle Stein fühlte sich beinahe heimelig an.
    Er wandte sich ihr zu, und sie krallte ihre Hände in seine Schultern. Er wollte etwas Tröstendes sagen, etwas, das sie beruhigen würde, doch ihm fiel nichts ein. Worte waren noch nie seine Stärke gewesen.
    Ihre gestohlene Männerkleidung hing lose und unförmig an ihrer hübschen Figur. Der Hut warf Schatten über ihr Gesicht. Er hob ihr Kinn mit der Hand, und das Mondlicht erleuchtete ihr Gesicht. Ihre Augen sahen riesengroß aus, ihre weiße Haut glitzerte vor Tränen. Sie war so liebreizend. Er beugte sich ein wenig hinunter, ignorierte das Stechen in seiner Seite und küßte sie sanft.
    „Etwas Nettes zum Drandenken“, sagte er und spürte, wie sie plötzlich erschauerte. Vielleicht war sie nicht in Kußstimmung. Oder sein Zustand ließ ihn nicht gut küssen. Vielleicht hatte auch ihr Abenteuer ihr die Lust auf weitere männliche Zuwendung genommen. Vielleicht sollte er sich entschuldigen.
    Doch da reckte sie sich auf Zehenspitzen, streckte ihren Mund nach seinem Gesicht. Er beugte sich erneut hinab und fand ihre Lippen. Sie waren weich und zart. Ein süßer Kuß, vielleicht der süßeste, den er je gespürt hatte, erfüllt mit mehr Liebe als Leidenschaft, mehr Vertrauen als Lust. Er umfaßte sie behutsam mit dem linken Arm, während seine Rechte noch die Waffe mit nur einem Schuß hielt.
    Es gab etwas, das er tun konnte, um ihr Leid und Erniedrigung zu ersparen. Er mußte nur die Waffe an ihre Schläfe heben und abdrücken. Ihre Augen waren geschlossen. Sie war in seinem Arm. Sie würde ohne Schmerz fallen.
    Ihre Lippen spielten miteinander, dann ihre Zungen. Er konnte sie nicht töten. Nicht jetzt, nicht ehe dieser Kuß beendet war. Das würde bald sein, viel zu bald. Die Stimmen kamen näher. Sie konnten keine Minute mehr entfernt sein, und er stand da wie versteinert, im Bewußtsein, daß es das beste wäre, die junge Frau, für die er die Verantwortung hatte und die er gesund zurückbringen sollte, zu töten.
    Er konnte sich nicht rühren, schien festgewurzelt, bewegte sich keinen Fingerbreit, konnte sich nicht von ihr lösen. Auch die Waffe konnte er nicht mehr heben, geschweige denn abdrücken. Aus dem Augenwinkel sah er dunkle Gestalten die Hochfläche betreten. Laternen schwangen hin und her. Sie kamen über die flache Steinterrasse auf sie zu und leuchteten in die düsteren Felsen. Er hörte eine Stimme neben sich.
    „Sie sind nicht hier.“
    „Sie müssen aber hier sein. Der Pfad endet hier.“
    „Sie sind nicht da. Sehen Sie doch selbst! Die Hochfläche ist leer. Hier gibt es nur Fels.“
    „Ich dachte zuerst, sie seien das hier.“
    „Ja, ich auch. Es ist aber nur eine Felsformation. Vermutlich haben sie sich im Wald versteckt, und wir sind an ihnen vorbeigelaufen. Oder sie sind hier abgestürzt.“
    „Herrgott noch mal. Im Dunkeln werden wir sie kaum finden.“
    „Wir werden sie finden. Sie können sich ja nicht in Vögel verwandelt haben und davongeflogen sein.“
    „Oder in Fels.“

Kapitel 12
    Die Welt war ein Muster aus Energielinien. In seinem Geist konnte Marhanor sie sehen, wild und nicht verfälscht durch die Beschränktheit der Augen. Letztere waren fort und störten ihn nicht mehr. Sie waren in den Augenhöhlen verbrannt und hatten seiner Sicht das Tor zu einer neuen Ebene geöffnet. Er war der Phönix aus der Asche.
    Als er sein Bewußtsein mitten in einem Inferno wiedererlangte, hatte er sein Leben mit all der arkanen Macht festgehalten, die ihm eigen war. Er hatte die Flammen von sich gestoßen, sich in ein Magiefeld gehüllt, war vom Leben zum Tode gereist und wieder zurück. Bruder Michael war gestorben, doch Meister Marhanor war geboren.
    Er vermißte sein Augenlicht nicht. Die letzten Wesen, die er gesehen hatte, waren jene bedauernswerten Zwischenkreaturen gewesen, die ihre Krallen nach dem Leben ausstreckten, das er noch in sich hielt. Sie waren tot, verlorene Seelen, vom Weg zur Himmelspforte abgekommen, die er dereinst triumphierend durchschreiten würde. Nur nicht zu diesem Zeitpunkt, nicht getrieben von Flammen, die sich an seiner Existenz labten, seine Substanz anfraßen. Er war noch nicht fertig. Seine Pläne waren noch nicht abgeschlossen.
    Was das Feuer ausgelöst hatte, wußte er nicht. Er fühlte seine Brüder sterben, erkannte ihre verbrannten Seelen, nahm wahr, wie sie in der Schwärze verschwanden. Er sah nicht, wie sie ins Paradies eingingen, dessen Existenz er fühlte und doch nicht

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