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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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sich um seinen jüngeren Bruder kümmerte, wusste sie, dass er ein einfühlsamer Mensch war. Er war für sie da gewesen. Er hatte sich um sie gekümmert, nachdem sie das grässlichste Solo gesungen hatte, das jemals in der First Unitarian Church ihrer Stadt zu hören gewesen war.
    Er besaß Mitgefühl. Und darauf hatte sie reagiert. Aber Emily wusste, dass in ihm auch etwas steckte, wodurch sie sich herausgefordert fühlte. Er war so anders. Wahrscheinlich hatte er sie deshalb so fasziniert, weil er erst sehr verschlossen gewesen war und sich ihr dann allmählich geöffnet hatte.
    Und vielleicht fühlte sie sich ja dadurch bestätigt, dass er sich ihr öffnete.
    Aber hatte sie nicht letztlich versagt?
    Hatte er sie nicht aus dem größten Teil seines Lebens herausgehalten?

24
    Riddle schlug auf Felsen und Bäumen auf und stürzte tiefer und tiefer und immer tiefer. Erst als sein rechter Arm sich in den Ästen eines abgestorbenen Baumes verfing, wurde sein Sturz abgebremst und da lag er schon fast am Grund einer tiefen Schlucht.
    Langsam rappelte er sich auf und sah blinzelnd nach oben ins grelle Tageslicht. Er war tief gefallen, aber wie durch ein Wunder war alles noch ganz an ihm. Nur sein linker Fuß tat ihm weh und über dem rechten Auge hatte er einen tiefen Schnitt.
    Wie warme Bratensoße sickerte Blut aus der Wunde, doch sobald er wieder klar denken konnte, begriff er, dass er sich einen Felsvorsprung hinabgestürzt und überlebt hatte.
    Und erst als er zu der Stelle emporsah, von der aus er gesprungen war, packte ihn plötzlich die Angst und ein Gefühl der Panik kam über ihn.
    Das war sehr, sehr, sehr tief. Und sehr, sehr, sehr gefährlich.
    Das tue ich nie wieder.
    Nie mehr.
    Nie.
    Nie mehr.
    Und dann rief er, so laut er konnte: »Sam!«
    Aber niemand antwortete.
    ***
    Clarence konnte Riddle aus der Tiefe rufen hören.
    Wie war Riddle nur dahin geraten? Und wie er selbst… auf diesen Felsvorsprung?
    Er war abgestürzt.
    Das war das Einzige, woran er sich erinnern konnte. Und er musste sich beim Aufprall auf den Felsen das rechte Bein gebrochen haben, so höllisch, wie es schmerzte. Er blickte an sich herab und sah, dass ein Teil des Knochens gesplittert war und aus dem Fleisch herausragte. Die Stelle war zwar voller Blut, aber Knochen und Knorpelgewebe waren trotzdem nicht zu übersehen. Das Gewebe war gelblich und ganz anders, als er es sich vorgestellt hätte.
    Auch das Schlüsselbein musste er sich – auf der gleichen Seite wie das Bein – gebrochen haben, denn wenn er seine Hand drauflegte, war dort eine Schwellung. Und bei der kleinsten Bewegung fuhr ein stechender Schmerz durch seinen ganzen Körper, als hätte er einen Stromschlag abgekriegt.
    Er schloss die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren.
    Die Straße lag hoch über ihm, die Schlucht, in der der Fluss verlief, tief unten. Und er saß fest zwischen Berg und Tal.
    Na schön. Aber er wollte verdammt sein, wenn er auf einem Felsvorsprung auf halber Höhe eines Berges erfrieren oder verhungern sollte. Er war schließlich nicht deshalb so weit im Leben gekommen, weil er sich’s bequem gemacht hatte und den Weg des geringsten Widerstands gegangen war. Er hörte Riddle, der sich – inzwischen heiser schon – die Kehle aus dem Hals schrie: »SAM!« Er hatte ihn noch niemals so laut brüllen hören.
    Er musste fort von den Jungs.
    Die Welt um ihn begann, sich zu drehen, und er übergab sich. Jetzt musste er fort von den Jungs und dieser Sauerei hier.
    Er sah noch mal nach oben. Er war nicht ganz bis zur Hälfte des Abhangs gefallen. Und deshalb fasste er nun einen Entschluss. Er würde sich an dem zerklüfteten Fels bis zur Straße nach oben ziehen. Im Laster hatte er Wodka. Und hinten drin Saltine Cracker. Er würde alles dafür geben, wenn er jetzt einen davon essen könnte.
    Sein blutüberströmtes, pochendes Bein schmerzte, sobald er es bewegte, aber was sein musste, musste sein. Langsam, langsam. Greifen. Hochziehen. Immer weiter, wie ein Käfer, bis er ganz da oben war. Wie ein Käfer weiterkriechen, auf allen vieren weiterkriechen. Denn oben waren die Cracker.
    ***
    Riddle rief eine Ewigkeit lang: »Sam, Sam, Sam!« So kam es ihm jedenfalls vor. Aber hören tat er nichts. Nichts, nichts, nichts.
    Deshalb machte er sich jetzt auf den Weg durch das Unterholz.
    Er wusste genau, dass er seinen Bruder finden würde, wenn er nur gründlich suchte. Und so entwarf er in seinem Kopf einen Plan von dem Grund der Schlucht. Als wollte er sie

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