SAM
Julian und Sebastian halten sich mit dem Essen zurück, probieren aber aus Höflichkeit das eine oder andere Stück Fleisch, während Margarete keinen Bissen anrührt und mit unbewegter Miene an ihrem Wein nippt. Dabei entgeht mir auch nicht ihr starrer Blick auf das Mal an meinem Hals. „ Ja, er trinkt von mir. Regelmäßig. Und wir lieben es beide !“, schicke ich ihr trotzig einen Gedanken. Sofort sieht sie mir in die Augen und wenn Blicke töten könnten, dann…! Ich versuche mich wieder auf die Unterhaltung zu konzentrieren und möglichst meine Gedanken vor ihr zu verschließen.
„Und ihr wollt nach der Hochzeit wirklich in die Staaten ziehen? Ist das nicht zu gefährlich? Balthasar führt irgend etwas im Schilde und ich halte es für sicherer, wenn du mit Samantha zunächst hier in Europa bleibst“, höre ich Julian sagen.
„Grundsätzlich hast du recht. Aber Sam und ich sind uns bereits einig. Wir müssen in die Staaten, um dort das Schlimmste zu verhindern oder wenigstens diesem sinnlosen Morden des Rates ein Ende zu bereiten“, antwortet Alex.
„Was versprichst du dir davon, deine sterbliche Geliebte der Rache Balthasars auszusetzen? Ist dir noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass er sie für sich beanspruchen könnte? Er ist durch Geburt der ranghöhere Vampir von euch beiden. Sie ist die letzte Auserwählte und er ist der Letzte seiner Sippe. Was tust du, wenn er sie zur Frau wählt?“, wirft Margarete kühl ein.
„Balthasar hat kein Recht auf Samantha. Ich habe sie gefunden, uns verbindet dieses besondere Band und außerdem werden wir dann schon durch das Alte Ritual ewig aneinander gebunden sein“, gibt Alex gereizt zurück.
„Du weißt aber auch, dass Balthasar nichts dringender braucht als einen Erben, einen Sohn. Sie kann ihm einen Sohn schenken. Nur sie ist in der Lage dazu. Er wird alles daran setzen zu bekommen, was er will“, gibt Margarete zu bedenken und ihre Stimme hat einen boshaften Unterton angenommen.
„Wenn Balthasar meiner Frau auch nur einen Millimeter zu nah kommt, werde ich ihn töten. Samantha wird meine Frau werden, nach ihrer Tradition und nach den Riten unserer Rasse. Und damit ist sie für jedermann tabu. Sollte Balthasar auch nur im Traum daran denken, sie auf welche hinterlistige Art und Weise auch immer, in sein Bett zu bekommen, dann werde ich ihm den Kopf abschlagen und seinen verfluchten Körper vierteilen und verbrennen.“ Alexanders Stimme ist schneidend und eiskalt geworden. Ich fühle mich wie auf einem türkischen Basar, nur dass ich offensichtlich die Ware bin, um die hier gefeilscht wird. Diese ganze Diskussion ist absurd. Werde ich als Gebärmaschine gehandelt oder wie soll ich das eben Gehörte verstehen? Ich stehe abrupt auf und durch dieses hastige Bewegung kippt der Stuhl hinter mir um. Alle starren mich an, keiner sagt ein Wort.
„Entschuldigt mich, mir ist nicht gut“, versuche ich noch halbwegs die Fassung zu bewahren und laufe dann so schnell es geht aus dem Esszimmer. Ich greife im Flur meine Jacke und renne wie von Sinnen zur Tür hinaus, in die kalte Winterluft. Ich renne und renne, die Straße entlang, weg von dem Haus, weg von all diesen Machtkämpfen und weg von Alexander, der mich mit seinen Worten mehr als verletzt hat. Was glaubt er denn, was ich bin? Ein gefühlloses Stück Fleisch, dass dem Meistbietendem zusteht? Geht es wirklich nur noch darum, die vampirische Rasse, um welchen Preis auch immer, am Leben zu erhalten? Es ist dunkel und nur die wenigen Laternen am Rand der Straße spenden etwas Licht. Wild wirbeln die Gedanken durch meinen Kopf. Das kann alles nicht wahr sein, das darf nicht wahr sein!
Ich weiß nicht wie weit oder wie lange ich renne, mein Herz schlägt wild gegen meine Brust, mein Atem geht heftig und meine Tränen fließen heiß über meine kalten Wangen.
„Sam, bleib stehen! Samantha, bitte!“, höre ich Alexanders Stimme hinter mir.
„Nein!“, schreie ich zurück, ohne mich umzudrehen und renne weiter. Ich habe Seitenstechen und merke, dass ich erschöpft bin und kaum noch Luft bekomme. Dann höre ich seine Schritte hinter mir. Ich bleibe stehen und wirbel zu ihm herum. Er ist ebenfalls stehengeblieben. Uns trennen vielleicht fünf Meter voneinander.
„Bleib da stehen!“, schreie ich ihn unter Tränen an, immer noch außer Atem. „Ich will nicht, dass du auch nur einen Schritt weiter gehst.“
Er sieht mich an. „Sam, es tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen sollen“, beginnt
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