SAM
„Luca ist unberechenbar im Moment und ich kann ihn kaum aus den Augen lassen. Ich weiß nicht, ob er es je verkraften wird. Ich mache mir große Sorgen um ihn.“
„Wenn du ihn siehst, dann richte ihm bitte aus, dass Francesca nun ihren Frieden gefunden hat und neben ihren Eltern ruht. Ich hoffe es hilft ihm etwas seinen Schmerz zu ertragen.“
Nach einer kleinen Ewigkeit flüstert Alexander: „Ich liebe dich, Sam.“
„Ich liebe dich auch,“ flüstere ich zurück und damit beenden wir unser Gespräch.
Rhys hat sich aus Respekt vor meiner Privatsphäre weggedreht.
Als ich das Handy wieder in meine Handtasche verstaue, atme ich erleichtert auf. Rhys dreht sich zu mir und sieht mich mit finsterem Blick an: „Du hast ihn angelogen! Das war nicht so abgesprochen. Du bringst uns in Teufels Küche, wenn er das erfährt.“
„Was sollte ich denn sagen? Er soll nicht wissen, dass wir nach den Schriften suchen. Er würde es nicht erlauben und sich furchtbar aufregen. Er versucht mich zu beschützen und ich verstehe ihn auch, aber er muss auch begreifen, dass er mich mit seiner Kontrollsucht einengt, ja fast wie eine Gefangene hält. Ich kann sehr wohl selbst auf mich aufpassen. Und erst recht mit dir an meiner Seite, kann mir nichts passieren.“ Ich versuche ein Lächeln, Rhys nimmt es mir jedoch nicht ab. Er schüttelt den Kopf: „Er wird mich umbringen. Er tut es! Ich weiß es!“, murmelt er vor sich hin. Ich greife nach seinem Arm und er zuckt erschreckt zusammen.
„Alexander wird nichts dergleichen tun, wenn ich ihm sage, dass ich mir meiner Entscheidung absolut sicher war. Und, Rhys, ich bin mir absolut sicher, dass wir das Richtige tun!“ Ich spiele auf meine besondere Eigenschaft an und hoffe er versteht es. Er nickt kurz und wir betreten beide schweigend die Maschine nach Schottland.
Während des Fluges betrachte ich meinen Begleiter eingehend und stelle mir immer wieder die eine Frage: Wer ist er wirklich? Er macht mir und vielleicht auch sich selbst etwas vor, scheint sich hinter der Maske des furchteinflößenden Vampirs zu verstecken? Was ist ihm widerfahren, dass er es für richtig hält, niemanden an sich heran zu lassen. Er will keine Freundschaft, keine offene Zuneigung und doch kennt er Gefühle, weiß Emotionen zu deuten. Er ist kein Monster,…hat er gesagt. Und doch hat er nur allzu deutlich gemacht, dass er eines sein könnte, vor zwei Tagen, in der Küche. Unmerklich schüttle ich den Kopf. Er ist sehr schwer einzuschätzen. Aber ich fühle mich sicher bei ihm. Trotz allem. Er sieht zu mir und schon erkenne ich wieder für den Bruchteil einer Sekunde diese tiefe Qual in seinen Augen. Was wurde diesem Mann angetan? Was musste er erleiden, um so zu werden wie er ist: kaltherzig und unberechenbar?
„Wie hast du Alex kennengelernt?“, taste ich mich vor. Er sieht mich erschrocken an, so als wäre es vollkommen abwegig von mir, ihm eine solche Frage zu stellen.
„Zufall. Vor sehr langer Zeit.“, ist seine äußert knappe Antwort und schon widmet er sich wieder seiner Zeitung, um ja nicht weiter von mir befragt zu werden.
„Was sind das für Zeichen auf deinem Arm? Haben sie eine Bedeutung?“, will ich neugierig wissen. Er legt die Zeitung zur Seite und sieht mich lange und ernst an.
„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich das nicht will. Warum willst du immer alles wissen?“, seine Stimme klingt verärgert.
„Ich interessiere mich eben für die Menschen, mit denen ich mich umgebe.“ Ich sehe ihn offen an. „Was hältst du davon: Du stellst mir eine Frage und dann darf ich dich etwas fragen. Immer abwechselnd.“
Seine Mundwinkel zucken kaum merklich, sollte das etwa so etwas wie ein Versuch sein zu lächeln?
„Es gibt aber nichts, dass ich über dich wissen möchte, Samantha. Alles was ich wissen muss, weiß ich bereits. Es wäre also kein faires Spiel.“ Ich schnappe nach Luft und bin mehr als überrascht zu hören, dass er glaubt, alles notwendige über mich zu wissen. Ich lege den Kopf schief und fordere ihn heraus: „Ach, ja? Du weißt also alles über mich? Welches ist meine Lieblingsfarbe?“
„Keine Ahnung! Ist für mich auch nicht von Bedeutung“, stellt er stur fest. Ich denke kurz nach.
„Wie alt bin ich?“ Er zuckt mit den Schultern und mustert mich. „Vielleicht fünfundzwanzig bis siebenundzwanzig.“
Ich schüttle den Kopf. Mir ist vollkommen unverständlich, dass er offenbar kein Interesse daran hat, mich näher kennenzulernen. Er
Weitere Kostenlose Bücher