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nicht. Aber warum denkst du ausgerechnet jetzt daran?“
„In diesen Vororten leben Familien, mit Vater, Mutter, Kindern und sogar Großeltern unter einem Dach. Wenn ich mir vorstelle, dass Abends alle gemeinsam am Tisch sitzen und zu Abend essen und jeder davon berichtet, was er am Tag erlebt hat, dann muss das einfach wunderbar sein. Es muss ein schönes Gefühl sein, eine Familie zu haben, Menschen, zu denen man heimkommt, die einen lieben.“ Meine Stimme ist leise geworden. Ich habe so ein Familienleben nie erlebt, wünsche mir aber genau dieses so sehr, wie nichts anderes auf der Welt.
„Du wirst auch eines Tages eine Familie haben, einen Mann, der dich liebt, Kinder. Du wirst glücklich sein, ich weiß es!“ In seiner Stimme klingt eine unglaubliche Traurigkeit mit.
„Willst du denn keine Familie? Glaubst du nicht daran, dass es für dich eine Frau gibt, die du lieben kannst und die dich liebt, mit der du den Rest deines Lebens verbringen möchtest? Willst du keine Kinder haben?“ Ich sehe ihn von der Seite an. Er sieht stur geradeaus auf die Straße. Seine Gesichtszüge sind starr und er wirkt, als wenn er sich diese Fragen selbst bereits tausend mal gestellt hat und inzwischen aufgegeben hat, die Antworten zu finden. Seine Stimme klingt hart und bitter, als er antwortet: „Das Glück eine Familie zu haben wird es für mich nie geben!“ Entsetzt über diese Antwort und den fast zynischen Ton in seiner Stimme, beschließe ich nicht weiter zu fragen und dieses Thema auch nie wieder aufzugreifen.
Wir nähern uns immer mehr der Innenstadt. Ich hatte fast vergessen, wie eng Londons Straßen sind, wie laut die Stadt ist und wie viele Menschen um diese Zeit noch unterwegs sind. Ja, London ist immer noch diese aufregende, pulsierende Metropole. Die schmalen Gehwege der Einkaufsstraßen sind überfüllt mit Menschen, die noch einkaufen müssen oder bereits mit Tüten beladen ihren Weg durch die Menge suchen. Menschen, die von der Arbeit kommen, ins Kino, zum Abendessen oder in einen der unzähligen Pubs gehen. Aus den U-Bahnstationen steigen immer wieder neue Menschenmengen, die dann in den Strom der anderen Passanten einfließen. Alles ist so ganz anders als auf dem Land, in Somerset. Und natürlich kein Vergleich zu dem Leben in Arizona. Dort spielt sich das Leben sowieso meist in irgendwelchen Shopping Malls ab und nicht wie hier auf der Straße. Wie sehr ich mich freue, wieder einmal hier zu sein. Ich sauge diese Atmosphäre, dieses lebendige Pulsieren der Stadt in mich auf. Wenn wir tatsächlich noch etwas Zeit haben, dann würde ich gerne shoppen gehen. Auf alle Fälle nach Camden und Notting Hill, dort gibt es wirklich die angesagtesten Läden und ich würde mir so gerne ein paar tolle Klamotten kaufen, bevor ich wieder in die USA zurückgehe. Shoppen, bis die Kreditkarte glüht! Der Traum einer jeden jungen Frau, die in London ist. Und die Museen. Ich würde so gerne wieder einmal ins British Museum gehen oder ins Natural History Museum oder in eine der vielen wundervollen Galerien….!
„Was ist, du lächelst schon eine Weile vor dich hin? Lässt du mich teilhaben an deinen Gedanken?“ Ich seufze. „Es ist einfach nur schön wieder hier zu sein. Ich habe vergessen, wie aufregend London sein kann und wie viel man hier machen kann.“ Ich blicke ihn mit strahlenden Augen an: „Vielen Dank, dass du mich mitgenommen hast!“ Er schenkt mir einen dieser Blicke, die ich nicht zu deuten vermag, die aber mein Herz jedes Mal in einen schnelleren Rhythmus fallen lässt. Schließlich kommen wir um viertel vor neunvor Jonathans Haus an. Kensington ist einer der vornehmsten Bezirke Londons. Hier wohnen die Reichen und Schönen. Anwälte, Manager, Ärzte, Filmstars, Models. Und Jonathan!
Kaum aus dem Auto ausgestiegen, beschleicht mich wieder dieses ungute Gefühl. Wir gehen die Treppe zum Hauseingang empor. Alex trägt meinen Koffer und seine Reisetasche. An der Haustür angelangt klingelt er. Kurz darauf wird uns von einer älteren Dame, mit bereits leicht ergrautem Haar, geöffnet.
„Mr. DeMauriere, wie schön sie wieder begrüßen zu dürfen. Sie waren so lange nicht mehr bei uns.“
„Guten Abend Mathilda, es ist schön sie zu sehen. Was macht die Malerei?“ Wir gehen hinein und Alexander stellt unser Gepäck im Flur ab.
„Danke, ich habe immer noch viel Spaß dabei. Ich denke aber an die großen Meister werde ich nicht herankommen.“ Sie lächelt Alex freundlich und offen an und er umarmt
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