SAM
und schluckt schwer. Dann werfe ich den beiden Männern mein charmantestes Lächeln zu und gehe. Diesen Auftritt brauchte mein Ego!
Mein Abend allein im Cottage ist doch nicht so schön, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich sitze allein im Wohnzimmer, ein Glas Milch steht auf dem Tisch vor mir und ich habe angefangen Grannys Bücherregale leerzuräumen. Dabei blättere ich natürlich auch in einigen von meinen und Grannys Lieblingsbüchern. Ich möchte, dass sie in der neuen Bibliothek im Schloss einen schönen Platz finden. Dabei denke ich wieder an meine geliebte Großmutter und wie sehr sie mir fehlt. Was hätte sie an meiner Stelle getan? Wie hätte sie sich entschieden, wenn ein Vampir sie gefragt hätte, ob sie mit ihm zusammen sein möchte. Ich zucke unwillkürlich mit den Achseln. Wahrscheinlich hätte sie generell die Existenz von Vampiren für vollkommenen Schwachsinn gehalten und als Hirngespinste abgetan.
Mir fällt ein altes, in rotem Leder gebundenes Buch in die Hände. Ich kann mich nicht erinnern, es jemals vorher gesehen zu haben. Es stand auch nicht zwischen den anderen Büchern, sondern lag hinter einer Reihe großer Romane. Es sieht sehr abgegriffen aus, als hätte Granny oft darin gelesen. Ich schlage es auf und entdecke, dass es sich nicht um ein Buch im herkömmlichen Sinn handelt, sondern um ein Tagebuch. Die Eintragungen sind aus dem Jahr 1941. Ich rechne kurz nach. Wenn es tatsächlich Grannys Tagebuch ist, dann muss sie zu dieser Zeit neunzehn Jahre alt gewesen sein. Ich hebe meine Beine auf das Sofa, nehme einen Schluck Milch und beginne in dem Tagebuch zu lesen. Es ist ein seltsames Gefühl an den Gedanken und Gefühlen teilzuhaben, die meine Großmutter als neunzehnjähriges Mädchen hatte. Für einen Augenblick denke ich darüber nach, ob ich wirklich diese ganz persönlichen Eintragungen lesen sollte und mein schlechtes Gewissen meldet sich zu Wort. Dann aber siegt doch wieder einmal meine Neugier und ich lese weiter.
In dem Tagebuch spricht sie offen über ihre Zuneigung zu einem jungen Mann, den sie in Bristol, bei einem Familienausflug kennengelernt hat. Sie schwärmt regelrecht von ihm, wie nett, zuvorkommend und hilfsbereit er gewesen sei. Sie haben sich danach öfter getroffen, auch heimlich, ohne das Wissen ihrer Eltern. Sie spricht in dem Tagebuch davon, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlt.
Wenn sich unsere Hände berühren, dann ist es wie ein Knistern und Prickeln.
Sie beschreibt ihn als sehr groß und gut aussehend , seine Augen wären so unglaublich faszinierend . Sie bedauert ihn meist nur am Abend sehen zu können. Sie nennt ihn John. Sein vollständiger Name wird nie erwähnt, nur in den ersten Aufzeichnungen schreibt sie über ihn als Mr. J.S.
Meine Hände beginnen zu zittern, als ich weiter blättere und lese:
Er lässt mich Dinge tun, die ich noch nie zuvor getan habe.
Mein Herz klopft heftiger.
Was tut er nur mit mir? Ich scheine in seiner magischen Welt einzutauchen. Er nimmt Besitz von mir.
Ich merke, wie mein Blut durch meine Adern rauscht.
Ich bin versucht mich ihm hinzugeben. Er sagt, dass er mich auf ewig will.
Eine düstere Ahnung breitet sich in mir aus, die mich schwindeln lässt.
Alles ist ein großes Geheimnis. Er will mir bald sagen, was er ist. Ich kann es kaum erwarten. Mein dummes Herz ist ihm vollkommen ausgeliefert. Er weckt eine unstillbare Sehnsucht in mir.
Ich lege das Tagebuch mit zitternden Händen in meinen Schoß und blicke auf. Sollte es wirklich möglich sein…? Kann es tatsächlich sein, dass meine Granny…meine geliebte Großmutter…? Nein! Ich kann, ich will es nicht glauben. Mit immer noch zitternden und inzwischen schweißnassen Händen lese ich weiter. Zwei Tage später findet sich folgende Eintragung:
Ich fühle mich so sehr zu ihm hingezogen. Seine Augen … wenn er mich so ansieht, dann falle ich in eine Welt voller dunkler Schatten. Wenn er mich heute fragt, werde ich es tun.
Die letzte Eintragung in dem Tagebuch ist vom 26.September 1941.
Es ist alles aus!!! Aus und vorbei. Mein Herz schmerzt so sehr. Aber ich kann nicht tun, was er von mir verlangt. Ich werde ihn nie wieder sehen.
Damit endet das Tagebuch. Ich lehne mich zurück in die Kissen und muss zunächst das eben gelesene verarbeiten. Mein Herz klopft immer noch heftig, meine Hände sind kalt und meine Finger zittern, als ich das Buch auf den Tisch lege. Meine Granny war ein sehr
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