SAM
hübsches, junges Mädchen gewesen. Ich habe mir immer sehr gerne ihre alten Fotoalben angesehen und konnte stundenlang zuhören, wenn sie von der guten, alten Zeit sprach. Was ich aber eben gelesen habe, passt so gar nicht in das Bild, das ich von Granny bisher hatte. Wer war dieser Mann? Und warum hat sie ihn nie erwähnt? Warum habe ich beim Lesen ihrer Eintragungen immer wieder eine Gänsehaut bekommen und warum um alles in der Welt, ging mir immer wieder nur ein Gedanke durch den Kopf: Vampir! War er die Liebe ihres Lebens? Warum sonst hat sie so lange dieses Tagebuch aufgehoben und es geheim gehalten? Die Gedanken wirbeln nur so in meinem Kopf umher. Ich weiß nicht, wie lange ich nun schon hier sitze und vor mich hinstarre und versuche mir einen Reim aus dem zu machen, was ich eben gelesen habe. Ich schaue auf die antike Standuhr und bemerke, dass es bereits weit nach Mitternacht ist. Ich kann kaum ein herzhaftes Gähnen unterdrücken und erst jetzt spüre ich eine fast bleierne Müdigkeit, die meinen Körper und meinen Verstand gleichzeitig erfasst. Von einer Sekunde auf die andere fühle ich mich unglaublich erschöpft und nicht einmal mehr in der Lage mich nach oben in mein Schlafzimmer zu schleppen. Ich lehne mich zurück, kuschle mich in die Kissen, nehme die alte Wolldecke, die über der Lehne liegt und decke mich zu. Ich bin zu müde, um auch nur noch einen Schritt zu tun, geschweige denn, mich noch einmal zu erheben, um das Licht auszuschalten. Trotz dieser erdrückenden Müdigkeit versuche ich immer noch eine Erklärung zu finden, für die Dinge, die ich in Grannys Tagebuch gelesen habe. Fragen über Fragen wirbeln wild in meinem Kopf umher. Aber es dauert nicht lange und ergebe mich dem zehrenden Wunsch meines Körpers und falle in einen tiefen Schlaf.
Ich träume. Da sind Granny, Mom und ich. Wir machen ein Picknick auf einer wunderschönen Waldlichtung. Alex ist auch da. Mom ist begeistert von ihm und ich bin stolz darauf, dass die beiden sich so gut verstehen. Und dann ist da noch jemand. Er sitzt mit dem Rücken zu mir und spricht offensichtlich mit Granny. Sie lächelt ihn immer wieder traurig an und ich möchte gerne wissen, worüber sie reden. Ich lege meine Hand auf die Schulter des fremden Mannes und spreche ihn an. Es dauert einen Augenblick, ehe er sich zu mir umdreht.
Er hält den Kopf gesenkt, als er sich mir zuwendet. Als er endlich langsam sein Gesicht hebt, sehe ich in kalte, schwarze Augen und an seinen zynisch grinsenden Lippen klebt Blut. Jonathan!! Ich starre ihn entsetzt an und weiche vor ihm zurück. Dann schaue ich hilfesuchend zu Granny. Sie lächelt mich an und dann sehe ich, wie er ihre Hand hält und von ihrem Handgelenk Blut tropft. Alle reden beruhigend auf mich ein, aber ich bin panisch vor Angst, verstehe nicht, was hier vorgeht, will weg. Luft, ich bekomme keine Luft mehr! Ich will aufstehen, aber Alex hält mich fest, redet auf mich ein,…Luft, ich kann nicht mehr atmen,…ich bekomme keine Luft mehr…!!! Alles dreht sich, ich weiß nicht was los ist. Ich öffne den Mund, aber ich bekomme keinen Ton heraus. Ich schnappe gierig nach Luft, aber meine Lungen sind leer…! Hilfe, bitte! Ich ersticke, bitte, helft mir……..!
Dunkelheit…
Stille….
„Sam, Samantha, komm Baby, komm zu dir, atme, verdammt noch mal, atme!!!“, höre ich von weitem Alex rufen. Dann spüre ich die kalte Luft, in meinem Mund, in meinen Lungen. Gierig sauge ich die wunderbare, kühle, frische, würzige Luft ein. Träume ich noch? Ich fühle, wie sich meine Lungen weiten und ich wieder atmen kann.
„Sam, Liebling, öffne deine Augen, Sam, bitte!“, höre ich jetzt deutlich Alex Stimme neben mir. Es fällt mit unendlich schwer, meine Lider zu heben, aber langsam gelingt es mir doch. Ich sehe in Alex besorgtes und erschrockenes Gesicht. Gleichzeitig erkenne ich jedoch auch eine ungeheure Erleichterung in seine Augen, als er mich zu sich heranzieht und mich in seinen Armen wiegt. Jetzt erst bemerke ich, dass ich nicht mehr im Cottage auf dem Sofa liege, sondern im Vorgarten zwischen Grannys Blumenbeeten. Alex kniet neben mir.
„Was ist passiert?“, will ich wissen und meine Stimme klingt kratzig und ungewohnt. Alex sieht mich prüfend an. Vergewissert sich, dass ich so weit in Ordnung bin.
„Gas, es ist Gas ausgetreten. Mein Gott, Sam, hätte ich dich nicht rechtzeitig gefunden….!“ Er drückt mich wieder fester gegen seine Brust. Plötzlich muss ich husten. Er hilft
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