Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wolf
Vom Netzwerk:
sehen. Er kann keine Zeugen gebrauchen, die ihn später identifizieren. Er ist als Bruder sowieso verdächtig. Aber die anderen werden ihm ein Alibi geben. Da ist er ganz sicher. Skinheads halten zusammen und die Ichtenhagener Ultras erst recht.
    Die Frau steigt aus dem Auto und bringt umständlich ihre Kleider in Ordnung. Die Strumpfhose hängt ihr an den Knien. Der Rock ist bis zur Hüfte hochgerollt. Sie beeilt sich nicht einmal sehr. Wer soll sie beobachten? Sie fühlt sich sicher. Ein Auto hätten sie bemerkt. Wer erwartet schon Fußgänger – Todesschützen – nachts im Parkhaus?
    Gerade als Siggi einfällt, dass es auch Parkhäuser mit Videoüberwachung gibt und der Job wohl gar nicht so langweilig ist, wie er sich anhört, Parkhauswächter oder Nachtwächter, genau in dem Moment erkennt er sie.
    Es ist Maria mit den Mandelaugen. Siggi hat sie schon oft gesehen. In der Pizzeria. Jetzt zeigt sie ihm ihren weißen Arsch. Maria. Gino Oliverios Schwester.
    Der Typ aus dem Golf zieht sich den Reißverschluss zu und reicht ihr ein Papiertaschentuch raus. Sie wischt sich damit zwischen den Beinen ab.
    Maria pellt die Strumpfhose hoch und rollt den Rock herunter. Dann hockt sie sich an der Tür so hin, dass sie in den Außenspiegel gucken kann. Sie überprüft ihr Make-up und ihre Frisur.
    „Jetzt muss ich mich aber beeilen. Meine Mutter hat schon beim letzten Mal so einen Tanz gemacht.“
    „Kann ich dich morgen abholen?“, tönt eine männliche Stimme aus dem Inneren des Wagens.
    „Bloß nicht. Du weißt doch, wie meine Eltern sind.“
    Die Stimme lacht höhnisch. Siggi kann das dazugehörige Gesicht nicht erkennen. „Aber dein Bruder, der darf alles. Der pimpert in der Gegend herum wie ein Kaninchen. Darüber regen sie sich nicht auf, was?“
    „Der ist ja auch ein Mann. Der darf das. Ich dagegen muss ein anständiges Mädchen sein.“
    Jetzt zündet der Typ im Golf sich eine Filterzigarette an. Die Flamme des Einwegfeuerzeugs erleuchtet sein Gesicht. Robert Forler. Der arrogante Lackaffe aus der Sparkasse.
    Wenn Siggi ihn nur in seinen hellen Anzügen und bunten Krawatten hinter der Theke herumtanzen sieht, könnte er ihm eine reinhauen. Das schmale, feingliedrige Bürschchen hatte er immer für schwul gehalten, und jetzt bumst dieser Fatzke Maria, die Unnahbare. Die begehrte, bewunderte Maria.
    Es geht in Ichtenhagen ein Witz: Wann macht die Pizzeria Oliverio pleite? Wenn Maria heiratet.
    Sie ist eine Augenfreude für jeden. Selbst Greise bekommen in ihrer Nähe sündige Gedanken. Die züchtige Art und Weise, mit der sie Blicken und Anspielungen begegnet, verbannt jede Begierde ins Reich der Phantasie, wo sie um so schönere Blüten treiben kann.
    Die zur Hure geborene Heilige. Für Siggi ist sie jetzt irgendwie entweiht. Nie mehr wird er sie mit den gleichen Gefühlen ansehen können wie bisher.
    Sie hat also einen Freund, und sie macht es mit ihm heimlich im Auto, keine vierzig Meter Luftlinie von der elterlichen Wohnung entfernt.
    „Glauben deine Eltern wirklich, dass du noch Jungfrau bist?“, spottet Robert Forler.
    „Natürlich. Was denkst du denn? Und so werde ich auch in die Ehe gehen.“
    „An mir soll’s nicht liegen. Ich halte dicht. Hauptsache, ich muss dich nicht heiraten.“
    „Oh, du!“ Maria wirft etwas Weiches nach ihm. Siggi kann nicht genau erkennen, was. Vermutlich das Papiertaschentuch.
    Sie lacht. Er streichelt ihren Rücken. Sie verspricht: „Also gut. Morgen Abend. Gleiche Uhrzeit. Gleiche Stelle.“
    Sie stellt sich gerade hin. Er langt aus dem Golf, tätschelt zufrieden ihren Hintern. Allein dafür könnte Siggi ihm eine Kugel verpassen.
    „Ciao!“
    „Tschüss.“
    Jetzt stöckelt Maria ganz nah an Siggi vorbei. Er hält den Atem an. Sie bemerkt ihn nicht.
    Robert Forler lässt den Motor des Golfs aufheulen, als sei er ein Formel-Eins-Fahrer vor dem Start. Mit quietschenden Reifen verlässt er das Parkhaus.
    Siggi rennt ein Stockwerk höher. Er will die P 7 durchladen. Er lässt den Schlitten nicht fliegen, um das laute, metallische Geräusch zu vermeiden. Er befürchtet, es könne im Parkhaus widerhallen und ihn in der Stille der Nacht verraten.
    Siggi hält den Schlitten gegen den Druck der Feder und führt ihn langsam zurück. Es knackt nur zweimal.
    Gino Oliverio präsentiert sich als Zielscheibe. In die Eier schießen kann Siggi ihm nicht. Nur sein Oberkörper ist sichtbar.
    Siggi lehnt sich gegen den rauen Putz der Schießscharte. Er stützt seine Ellbogen auf, um

Weitere Kostenlose Bücher