Samstags, wenn Krieg ist
als sei sein Gesicht in einen Flammenwerfer geraten. Er sieht sofort nichts mehr. Die Augen sind nur noch eine brennende Masse. Er kriegt einen Hustenkrampf. Der Baseballschläger fällt zu Boden.
Er sieht Maria nicht, er hört nur das Sprühgeräusch. Die Feuchtigkeit schlägt sich in Tröpfchen auf seinem Gesicht nieder.
Dieter muss kotzen. Mit unglaublichem Druck kehrt sich sein Innerstes nach außen.
Es ist nicht das erste Mal im Leben, dass er sich übergeben muss. Aber so war es noch nie. Der Magen will sich nicht entleeren. Er will raus, gemeinsam mit anderen inneren Organen, die plötzlich alle den Körper verlassen wollen und sich die Speiseröhre hochquetschen. Die Lungen verätzen. Jetzt hat ihn die Angst, denn Maria hört nicht auf zu sprühen.
Er krümmt sich in einer CS-Reizgaswolke in seinem Erbrochenen auf dem Boden wie ein Mann mit einem Bauchschuss.
Maria flüchtet sich ins Auto, um nicht selbst etwas von dem Zeug einzuatmen.
„Schnell, in den Wagen!“, ruft sie Robert Forler zu. Er humpelt gebückt heran, die Wolke immer in respektvollem Abstand. Trotzdem atmet er Spuren von dem Giftzeug ein, oder er bildet es sich zumindest ein. Er muss husten, auch seine Augen tränen, aber es ist nicht schlimm, längst nicht so schlimm wie ein heransausender Baseballschläger.
Endlich sitzt Robert Forler im Auto. Sein Schwanz, inzwischen völlig eingeschrumpelt, hat sich schon selbst befreit.
Robert versucht, den Wagen anzulassen. Aus Nervosität würgt er ihn aber ab.
Dieter versucht, sich krauchend in Sicherheit zu bringen. Doch die Reizgaswolke scheint an ihm zu kleben. Er hat längst jede Orientierung verloren.
„W…wo hast du das her?“, fragt Robert schockiert und erleichtert zugleich. Vor Sekunden dachte er noch, sie seien beide erledigt, und jetzt hat er schon wieder Oberwasser.
„Unsere Pizzeria ist überfallen worden. Meinem Vater haben sie mit einem Hammer das Knie kaputtgehauen. Auf meinen Bruder wurde geschossen.“
Der Wagen springt an. Robert Forler setzt zurück.
„Und jetzt hast du dich bewaffnet?“
„Sehe ich aus wie ein Opferlamm, das sich brav zur Schlachtbank führen lässt?“
Robert ist beeindruckt. Er fährt schneller als sonst aus dem Parkhaus und schrammt auf der zweiten Ebene mit der Stoßstange an der Wand lang. Aber das stört ihn nicht. Er will jetzt sofort zur Polizei. Vielleicht können die den Kerl noch festnehmen. Er sieht nicht aus, als würde er ohne Hilfe weit kommen.
Aber Maria ist dagegen. Sie schreit und tobt. Auf keinen Fall dürfen ihre Eltern erfahren, dass sie mit einem Mann im Parkhaus war.
Robert Forler versteht die Einstellung nicht, aber Maria besteht darauf: Niemand darf etwas erfahren.
„Und wenn es der Typ ist, der auf deinen Bruder geschossen hat? Der Mörder von Renate und der Schläger aus der Pizzeria?“
„Dann verhaften sie ihn sowieso bald. Ich kenne ihn. Er kommt manchmal zu uns essen.“
Den Rest der Fahrt schweigen sie. Sie wissen beide, es ist das Ende ihrer Beziehung und keiner von beiden könnte sagen, warum.
49
Kypke und Briefs liegen verarztet in einem Zweibettzimmer.
Kypke hängt noch am Tropf, aber er blättert schon im Telefonkartenkatalog. Die bunten Bilder der Plastikkärtchen, ihre exakte Nummerierung und Bestimmung tun ihm gut. Jetzt noch mehr als sonst.
Briefs liest einen Stephen King. Der Schmöker ist dick genug für einen längeren Krankenhausaufenthalt.
Beide haben verbundene Köpfe. Beide eine schwere Gehirnerschütterung. Beide gebrochene Rippen und jeder einen mehrfach gebrochenen Arm.
Sie haben kurz mit den Ichtenhagener Kollegen telefoniert. Sie glaubten, damit sei die Sache zunächst erledigt, auf keinen Fall wollen sie ihre eigenen Ermittlungen gefährden. Andere Kollegen vom LKA werden sich an die Ultras hängen und sie lückenlos beschatten.
Aber Vera Bilewski taucht wutentbrannt im Krankenhaus auf. Sie hat Kramer mitgeschleppt. Widerwillig sitzt er auf der Fensterbank und schaut sich die beiden Kollegen an. Vera Bilewski geht vor den Betten auf und ab. Sie muss ihre Wut und ihr Unverständnis herauslassen. Sie hat Angst, Magengeschwüre zu bekommen, wenn sie den Brocken einfach so runterschluckt.
„Das ist einfach unglaublich. Ich ermittle in einem Mordfall und wegen einem Mordversuch. Auf Gino Oliverio wurden sieben Schuss abgefeuert. Sieben! Neun Millimeter. Vermutlich aus einer gestohlenen Polizeidienstwaffe. – Das Mordopfer ist die Schwester von einem berüchtigten
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