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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wolf
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nicht reden.
    Vera grinst. Da Frau Kleinhaupt nicht antwortet, sondern nur guckt, hält Vera ihr ein Paar Schuhe vor die Nase. „Springerstiefel gehören doch heute dazu, oder nicht? Nicht solche hier.“
    Gisela Kleinhaupt stemmt die Fäuste in die Hüften. „Natürlich hat er so etwas. Er trägt sie bestimmt. Darum stehen sie nicht hier.“
    Dieser Logik kann Vera Bilewski sich nicht verschließen. Sie schaut unter die Schuhe. „Größe 46“, sagt sie trocken.
    Wolfs Mutter flippt aus. „Sie wollen meinem Wolfi etwas anhängen! Eine Mutter spürt so etwas. Aber das sage ich Ihnen: ich kratz das letzte Geld zusammen. Der kriegt den besten Anwalt, den man für Geld bekommen kann!“
    „Den hat er schon“, brummt Vera Bilewski.

52
    Maria bringt Gino italienisches Essen in einer Warmhaltebox. Dazu ein Körbchen mit Rotwein, Zigaretten, Schokolade, Salami und Weißbrot. Außerdem zwei Illustrierte.
    Das mit dem Rotwein findet der Beamte nicht in Ordnung. Mit dem Rest darf sie durch, weil sie ihm schöne Augen macht und er Frauen noch nie ernsthaft etwas entgegenhalten konnte.
    „Aber bitte nur ganz kurz“, ermahnt er Maria.
    Die Zeit reicht aus. Sie erzählt Gino unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit von dem Überfall.
    „Die wollen uns alle fertigmachen, Gino. Mama, Papa, dich und mich. Vielleicht sollten wir nach Italien zurückgehen.“
    Er schüttelt den Kopf. „Das wollen die bloß. Du hast ihn ganz sicher erkannt? Dieter Koslowksi?
    „Ja. Ganz sicher.“
    „Aber eins kapier ich nicht. Wie hast du den Kerl geschafft? Der ist doch ein Bär von einem Mann.“
    Sie holt die Sprühdose aus ihrer Tasche. „Hiermit.“
    Gino packt sofort zu und nimmt ihr das Reizgas ab. Er guckt zum vergitterten Glas. Das wachsame Glupschauge schaut nicht zu. Er steckt das Gas ein.
    „Psst. Ich muss hier raus. Einer muss die Familie schützen. Ich kann ja nicht hier drinsitzen, bis die Faschisten euch alle umgebracht haben.“
    „Aber dein Anwalt. Was hat der gesagt?“
    Gino verzieht den Mund. „Er meint, ich soll ein Geständnis ablegen.“
    Maria sieht seinen Zorn.
    „Mir glaubt kein Mensch. Ich muss mir selber helfen. Vergiss eins nicht. Wir sind hier in Deutschland.“
    Maria ist erschrocken darüber. Aber sie akzeptiert seinen Entschluss sofort. „Kann ich dir helfen?“
    „Das hast du schon, Schwesterchen. Das hast du schon. Geh jetzt nach Hause, pack mir ein paar Klamotten zusammen und bring sie zu unserem Wohnwagen. Pack am besten auch ein paar Konserven ein. Dann sag Salvatore und Carlo, dass ich sie sprechen muss.“
    Sie stellt keine weiteren Fragen. Es ist ihr klar, dass sie zurückschlagen müssen. Es ist ja nicht so, als ob Italiener keine Banden bilden könnten.
    Sie steht auf und geht.
    Gino isst erst, dann ruft er nach dem Beamten, sprüht ihm ins Gesicht und nimmt dem überraschten Mann den Gummiknüppel ab und die Pistole.
    Einen Moment zögert Gino. Er fragt sich, ob er auch die Uniform nehmen soll, aber er lässt es. Sie passt ihm sowieso nicht.
    Unbehelligt verlässt er das Gebäude.

53
    Knapp zehn Minuten später wird eine Ringfahndung ausgelöst. Ein Autodieb aus Köln, der Ichtenhagen für einen ruhigen Ort hielt, wo man gut seinen Geschäften nachgehen kann, wird eines Besseren belehrt.
    Wolf Kleinhaupt glaubt, dass sie ihn suchen und flüchtet zu Max in das Gewächshaus der Gärtnerei.
    „Mensch, spinnst du? Hier kannst du nicht bleiben.“
    „Besorg mir Knete. Ich hau ab, nach Hamburg, zu Froinden.“
    „Knete!? Weißt du, was ich bei den Judensäuen hier verdiene?“
    Wolf kaut auf der Unterlippe herum. Er hätte daran denken müssen, eine nationale Kriegskasse aufzubauen. Von den Kameraden außerhalb Ichtenhagens kann er nicht viel Hilfe erwarten. Dafür haben seine Ultras noch nicht genug gebracht. Gut, der Judenfriedhof, das hat Aufsehen erregt. Die Pizzeria, das war nicht schlecht, aber nicht genug, um zum nationalen Märtyrer zu werden. Den Mord an Renate würde ihm deswegen erst recht keiner verzeihen. Es sei denn, er hätte nur eine Verräterin liquidiert, bevor sie schwätzen konnte. Gut, bei den Hamburgern käme er damit durch, aber hier in Ichtenhagen niemals. Er hätte auf jeden Fall zwei Todfeinde: Siggi und Peter.
    Das Asylantenheim muss sich endlich in eine Rauchwolke verwandeln. Ab dann sieht alles anders aus. Den, der das getan hat, werden alle verstecken. Jeder wird ihm weiterhelfen. Keiner mehr den Bullen glauben, wenn sie ihm auch andere, weniger ehrenhafte

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