Samstags, wenn Krieg ist
Magen.“
Hamu ist schon vierzehn. Der Älteste im Talentschuppen. Er hat nur noch ein wirkliches Ziel im Leben. Er will ganz dazugehören. Ein anerkanntes Mitglied der Ultras werden. Dafür ist er bereit, alles zu tun.
Er weiß, dass er als Geringster anfangen wird. Als reiner Befehlsempfänger. Nicht mal Sprecherlaubnis wird er in der ersten Zeit haben. Aber was bedeutet das schon? Er wird ein Ultra werden. Seine Eltern prophezeien ihm schon lange, dass er mal so endet. Aber was für sie das schlimme Ende ist, ist für ihn nur der ersehnte Anfang.
Wolf befiehlt Fred und Hamu jetzt, auf die Garagen zu klettern und dann auf der Mauer zu balancieren. Natürlich alles mit verbundenen Augen. Ein Söldner muss sich in schwarzer Nacht zurechtfinden, alle Sinne benutzen. Tasten, fühlen, ganz Körper werden. Die Gedanken ausschalten. Nur den Instinkten folgen. Sie sind da. Seit Jahrtausenden.
Man hat versucht, sie uns abzuerziehen. Lehrer haben sie zugelabert. Eltern verschüttet. Ärzte wegtherapiert. Aber sie sind da, sobald man sich die Augen verbindet. Wenn die störenden Gedanken verschwinden. Wenn jeder Fehltritt den Absturz bringen kann. Wenn man sich nur noch auf sich selbst verlassen kann und in der Dunkelheit drohend die Gefahr lauert, dann sind sie plötzlich flirrend und schützend wieder da, die Urinstinkte. Der Kampfgeist.
Sie alle haben diese Erfahrung gemacht. Mutproben sind die wichtigsten Prüfungen im Leben. Sie müssen schwer sein und gefährlich. Fragebögen in der Schule ausfüllen kann jeder Pipijunge. Aber eine wirkliche Mutprobe besteht man nicht durch Auswendiglernen, nicht durch Bravsein und erst recht nicht durch Nachhilfestunden.
„Eine Mutprobe ist ein Kampf gegen den Angsthasen in sich selbst“, sagt Wolf. „Nur wer den besiegt, hat auch Chancen gegen andere Gegner. Jeder Held muss zunächst gegen sich selbst kämpfen.“
Fred kletterte behände vorwärts.
Entweder kann er durch das Tuch gucken oder der ist echt spitze, denkt Max.
Schon steht er auf der Mauer. Langsam aber zügig tastet er sich vorwärts. Fuß vor Fuß. Die Arme ausgebreitet zum Auspendeln und das nach fünf Dosen Bier mit zwölf Jahren. Er wackelt, aber er fällt nicht.
Hamu dagegen versucht es auf allen Vieren. Er hat Angst, von der Mauer zu stürzen. Er drückt sein Schienbein fest auf die Steine, packt mit beiden Händen zu, lässt ein Bein herabbaumeln und schiebt und zieht sich mehr im Sitzen weiter, als dass er geht. Aufrecht auf beiden Beinen stehen wird er nicht. In ihm zittert alles. Da nutzt auch das Bier nichts.
„Äi, Hamu! Stell dich richtig hin. Mach dich gerade! Du siehst ja aus wie ein Schluck Wasser!“, lacht Wolf.
„Wie Türkenspucke an der Kloschüssel!“, grölt Jürgen.
Hamu stürzt ab und verstaucht sich den Knöchel.
„Mein Fuß! Mein Fuß ist gebrochen!“
„Stell dich nicht so an. Trink dir einen.“
„Sei froh. Brauchst du morgen nicht zur Schule, kannst zum Arzt.“
Fred schafft es. Damit ist er reif für den ersten wirklichen Auftrag. Die erste Aktion.
Er hat die Ehre, das Asylantenheim auskundschaften zu dürfen. Wolf vermutet im Keller Öltanks. Dort will er die Sprengladung anbringen. Fred soll heute Nacht durch ein Kellergitter einsteigen und nachsehen, ob das möglich ist.
„Wieso Kellergitter?“, tönt Fred. „Die Tür ist da nie zu. Die kann man gar nicht mehr abschließen. Ich geh da einfach rein und guck im Keller nach.“
Wolf schüttelt den Kopf. „Die legen dich um, wenn sie dich packen, Kleiner.“
„Glaubst du, ich fürchte mich vor dem Geschmeiß ?“
„Du tust, was ich dir sage, klar?“, faucht Wolf.
Fred nickt.
„Okay“, sagt Max. „Der Kurze peilt für uns die Lage. Aber wer macht es schließlich? Ich meine, einer muss doch …“
Peter wird ganz schlecht bei dem Gedanken. Er hofft, dass er es nicht tun muss.
„Ein Gottesurteil“, sagt Wolf.
„Häh? Was? Wie? Haben wir jetzt Kontakt zu Jesus?“, lacht Jürgen.
„Wir lassen das Los entscheiden.“
56
Salvatore hat dichtgehalten, aber aus Carlo sprudelt es geradezu heraus. Er war gar nicht mehr zu bremsen. Das meiste wollte Vera Bilewski gar nicht hören. Aber er plauderte auch aus, wohin Dieter gebracht werden sollte.
Der Campingplatz ist umstellt. Vera Bilewski hat fünfzig Schutzpolizisten zur Verstärkung. Gino Oliverio darf ihr auf keinen Fall entwischen. Ein Mordverdächtiger, der aus Polizeigewahrsam flieht, beunruhigt die Bevölkerung mehr als eine fehlende Spur. Wenn
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