Samtpfoten im Schnee
belehrt. Zu dem angekündigten Ereignis strömten Kinder und Erwachsene gleichermaßen in den Ballsaal, der zu diesem Zweck in einen Theatersaal verwandelt worden war. Die Kinder saßen auf dem Boden und auf den niedrigen Bänken, die vor dem Puppentheater aufgestellt worden waren; die erwachsenen Gäste nahmen dahinter auf den bereitgestellten Stühlen Platz. Der Rest des Publikums bestand aus den Dienstboten, die man für die Dauer der Aufführung auf ihren Posten ent-behren konnte.
Die Palette der dargebotenen Stücke reichte von einer ko-mischen Posse mit Punch und Judy bis hin zu Märchen sowie hintergründig weltklugen Satiren. Eine der letzteren handelte von Napoleon im Exil und wie er sein >Kaiserreich< regierte -
ein karges Eiland von sechs Meilen Breite und zehn Meilen Länge. Eine andere wiederum reizte das Publikum zu verlege-nem Lachen, denn darin ging es um einen Puppen-Prinzregenten, dem seine flatterhafte Frau, die seiner königlichen Gunst verlustig gegangene Prinzessin von Wales, arg zusetzte.
Meghan genoss sowohl die Aufführung als auch das Vergnügen, das die Kinder daran hatten. Ihr ging durch den Sinn, dass es ihr vielleicht das erste Mal seit Stephens Tod möglich war, mit Freude zu sehen, dass Kinder Spaß hatten.
Ja, sie empfand Wehmut, aber nicht mehr die zerstörerische Verzweiflung, die sie normalerweise überfallen hatte.
Um das Publikum noch stärker in ihr Stück einzubeziehen, luden die Puppenspieler die Kinder ein, daran mitzu-wirken. Ein weibliches Mitglied der Truppe mischte sich unter die kleinen Zuschauer. Sie trug Handpuppen, die an der Art ihrer Kleidung als gute Fee und als Elfe zu erkennen waren, die Wünsche erfüllen konnten. Die Puppenspielerin hatte bereits zwei Jungen nach ihren Wünschen gefragt, und die anderen Kinder warteten begierig darauf, dass die Reihe endlich an sie käme. Joy saß schweigend da, aber ihre Augen leuchteten, als sie das Geschehen verfolgte. Jetzt ging die Puppenspielerin auf sie zu.
»Ah, hier haben wir eine richtige Prinzessin, die sich verkleidet hat, damit man sie für ein ganz gewöhnliches Mädchen hält«, sagte die Puppenspielern mit der Stimme der guten Fee. »Nun, was glaubst du, was könnte sich so ein hübsches kleines Mädchen wohl wünschen?«
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte die Elfe. »Wir müssen sie wohl fragen.«
»Joy kann nicht sprechen.« Es war der junge Matthew, der das sagte.
»Oh, aber ihren geheimsten Wunsch wird sie mir doch sicherlich verraten wollen«, beharrte die gute Fee.
Meghan hielt den Atem an und hoffte, dass das kleine Mädchen nicht verspottet werden würde. Sie schaute zu Justin hinüber, der einige Plätze von ihr entfernt saß. Er schien sehr aufrecht zu sitzen, sehr angespannt und abwartend.
»Sie spricht nicht!« Dieses Mal war es Wally, der nachdrücklich auf diesen Umstand hinwies.
»Tut sie doch!«, erklärte Sarah in sehr autoritärem Ton.
»Joy kann sprechen«, sagte nun Becky, um ihrer Cousine beizustehen. »Sie spricht die ganze Zeit über mit dem Kätzchen.«
Meghan sah, dass Justin zusammenzuckte. Er warf einen fragenden Blick in Joys Richtung, der seine ganze Überraschung widerspiegelte.
Die Puppenspielerin hatte offensichtlich begriffen, dass es sich hier um eine schwierige Situation handelte, denn sie ließ die Elfe sagen: »Ich bin sicher, die hübsche Prinzessin wird uns sagen, was sie sich wünscht, wenn sie die richtige Zeit für gekommen hält.«
Die beiden Puppen wandten sich den anderen Kindern zu, ohne zu bemerken, welchen Aufruhr sie damit ausgelöst hatten.
4. Kapitel
Justin wäre am liebsten sofort aufgesprungen, um herauszufinden, ob Sarah und Becky die Wahrheit berichtet hatten. Sprach Joy tatsächlich, oder waren es nur Laute gewesen, ähnlich wie ihr Murmeln im Schlaf? Er zwang sich zu warten, bis das Puppenspiel vorüber war. Danach wurden die Kinder in das Kinderzimmer zurückgebracht, um dort einen Imbiss einzunehmen, ehe sie zum Schlafengehen fertig gemacht wurden.
»Hältst du es für möglich?«, fragte er Irene. »Könnte sie wirklich mit dem Kätzchen reden? Mit ihren Puppen hat sie immer unablässig gesprochen.« Es gelang ihm nicht, die Sehnsucht in seiner Stimme zu unterdrücken.
»Ja, ich halte es durchaus für möglich. Was meinst du, Meghan?«, wandte sich Irene an die Freundin, die neben ihr stand.
»Ich stimme dem zu.« Meghan lächelte Justin aufmun-ternd an.
Mein Gott, wenn sie lächelt, ist sie wunderschön, dachte er.
In ihren
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