Samtpfoten im Schnee
sehr auf Kinder einzulassen? Hinzu kam, dass Justin das Benehmen seiner Tochter etwas peinlich zu sein schien. Und Miss Hamlin, die so angestrengt versucht hatte, sich mit Justins Kind anzufreunden, war geradezu verärgert.
Joy brauchte nicht lange, sich ihren Weg in Meghans Herz zu bahnen. Meghan stellte bald fest, dass sie das Kind stets mit einem Lächeln begrüßte und sich darauf freute, es wie-derzusehen. Wann immer Joy kam, um sich gegen Meghans Knie zu lehnen, hob Meghan das kleine Mädchen rasch auf ihren Schoß, wobei sie keinen Gedanken daran verschwendete, was dieses Tun bei dem frisch gebügelten Musselin ihres Kleides anrichtete.
Eines Nachmittags betrat Meghan die Bibliothek und traf dort auf Lord Justin. Er saß am großen Mahagoni-Schreibtisch seines Bruders und schien in einige Papiere vertieft.
»Oh! Ich bitte um Entschuldigung«, sagte sie. »Ich wollte nur ein Buch holen. Ich werde später wiederkommen.«
»Nein. Nein. Kommt nur herein. Um die Wahrheit zu sagen - mir würde eine kleine Ablenkung gut tun.« Er erhob sich und kam hinter dem Schreibtisch hervor. »Kann ich Euch helfen, etwas auszuwählen?«
»Robert sagte mir, dass er eine Kopie von Chapmans Übersetzung der Ilias besitzt.«
Justin zog überrascht die Augenbraue hoch. »Die Ilias?«
»Ja. Die Ilias. O bitte, nun sagt mir nicht, dass Ihr zu den Gentlemen gehört, die der Meinung sind, eine Frau sollte niemals etwas Anspruchsvolleres als ein Modemagazin lesen.« Wie mein verstorbener Ehemann, dachte sie bitter, sprach dies aber nicht laut aus.
Seine Braue zog sich noch höher. »Nein. Ganz und gar nicht. Wenn ich auch zugeben muss, dass mich in letzter Zeit nur wenige Damen nach einer Abschrift von griechischer Dichtkunst gebeten haben.« Er machte eine Pause.
»Aber auch nur wenige Herren, um genau zu sein.«
Sie lachte. »Ich wollte einmal sehen, worüber all dieser Wirbel veranstaltet wird.«
»Sie sprechen von dem Gedicht dieses Burschen Keats, nehme ich an?«
»Ja!« Meghan war entzückt festzustellen, dass noch jemand diesen Dichter kannte, dessen Werk sie kürzlich entdeckt hatte. »>Viel bin ich gereist durch reiche Länder ...<«
»>... deren Barden in fester Treue stehen zu Apoll<«, beendete er das Zitat an ihrer statt und fügte hinzu: »Und, habt Ihr?«
»Habe ich was?«
»Seid Ihr viel gereist in der alten Welt?«
Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich bin kaum he-runtergekommen >von dieser Insel unter königlichem Zepter«. Aber jetzt, da die Lage auf dem Kontinent beständig ist, hoffe ich ein wenig davon zu sehen.«
»Ich bin überzeugt, es wird Euch Freude machen«, sagte er höflich, während er die Suche nach dem Buch in Angriff nahm, das sie wünschte. »Ah, da ist es ja.«
Als sie den Band von ihm entgegennahm, berührten ihre Hände sich. Sie sah in klare blaue Augen und fühlte ein Zittern durch sich hindurchströmen. »Danke«, murmelte sie und wandte sich zum Gehen.
»Oh ... Mrs. Kenwick.«
Sie wandte sich um.
»Meghan, wollte ich sagen.« Er lächelte. »Ich möchte Euch danken, dass Ihr so freundlich zu Joy seid.«
»Man kann Joy gegenüber wohl kaum etwas anderes sein.«
»Aber dennoch befürchte ich, Euch könnte ihre Aufmerksamkeiten vielleicht nicht... hmm ... ganz willkommen sein, um es so zu formulieren?«
»Warum solltet Ihr das befürchten«, fragte sie überrascht.
»Nun ...«Er strich sich mit der Hand durch das Haar und trat von einem Bein auf das andere. Seltsamerweise dachte Meghan daran, dass Stephen dasselbe getan hatte, wenn ihm unbehaglich gewesen war. Sie lächelte bei dieser Erinnerung. »Nun«, fuhr er fort, »Irene sagte, der Umgang mit Kindern würde Euch schwer fallen, und ich dachte ...« Seine Stimme erstarb in offensichtlicher Verlegenheit.
»Nun, dann denkt nicht.« Ihre Erwiderung klang schärfer, als Meghan es beabsichtigt hatte. »Ich will sagen, Joy ist ein sehr süßes kleines Mädchen. Wie könnte irgendjemand das Herz haben, ihr wehzutun?«
Er grinste. »Ganz zufällig teile ich diese Ansicht. Gleichwohl danke ich Euch.«
»Dafür nun wirklich nicht.« Sie erwiderte seinen Blick einen Augenblick lang, ehe sie leise hinzufügte: »Am Ende dürfte ich es sein, die Euch danken wird.«
Was um alles in der Welt habe ich denn damit gemeint?, fragte sie sich selbst, als sie die Tür hinter sich schloss. In der Nähe dieses Mannes schien ihr Verstand sich immer zu verwirren.
5. Kapitel
Justin war sich bewusst, dass Joy Mrs. Kenwicks Nähe suchte,
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