Samtpfoten im Schnee
sind sie hier?«
»Ich werde Euch nach Chalfried zurückholen.«
Grace wich impulsiv zurück und stolperte fast über den dicken Umhang, in den sie sich gewickelt hatte, um sich vor dem schneidenden Dezemberwind zu schützen. »Was?«
»Ich sagte Euch doch, ich würde mich um eine andere Bleibe für Euch kümmern.«
Grace wusste, dass er das gesagt hatte, natürlich, aber sie hatte angenommen, er hätte nur gehofft, sie damit bis zu seiner Rückkehr nach London beschwichtigen zu können, um das Ganze dann zu vergessen. Das würde jedenfalls ihr Vater getan haben.
»Aber... wir können nicht in Chalfried einziehen.«
»Warum nicht?«
»Es wäre nicht schicklich«, sagte sie und wies damit auf das Offensichtliche hin.
Ihr Einwand schien ihn gänzlich unberührt zu lassen.
»Eure Mutter wird als Anstandsdame dort sein, und au-
ßerdem wäre es für meine Verlobte noch weit weniger schicklich, in dieser erbärmlichen Hütte zu wohnen.«
Grace versuchte, seinem überzeugenden Charme nicht nachzugeben. »Wir können einfach nicht dorthin zurückgehen.«
Alexander trat näher, streckte die Hand und strich die flammend rote Locke unter die Haube zurück, aus der sie geflohen war. »Ich dachte, Ihr wolltet fort von diesem Ort.«
»Natürlich will ich das.« Sie versuchte die zarte Berührung zu ignorieren. »Es ist schrecklich hier, aber ich sehe wenig Sinn darin, unsere Sachen nach Chalfried zu bringen, nur um sie wieder hierher zurücktransportieren zu müssen, wenn Ihr nach London zurückfahrt.«
Alexander zuckte die Schultern. »Damit werden wir uns später befassen. Für den Moment sollten wir uns darauf konzentrieren, Eure Frau Mutter in ein behaglicheres Heim zu bringen.«
Grace wurde wankend. Er wusste zu genau, wo sie am verletzlichsten war. Erst heute Morgen hatte sie darüber ge-schimpft, dass die frostige Zugluft ihre Mutter zum Zittern brachte, selbst wenn sie vor dem Feuer saß. Wie verlockend war es doch, ihre Mutter nach Chalfried und dessen Annehmlichkeiten zurückzubringen, selbst wenn es nur für einige Wochen wäre.
Noch war Grace nicht ganz überzeugt, dass sie es diesem Gentleman erlauben sollte, einfach vor ihrer Tür aufzutau-chen und ihr Leben einmal mehr umzukrempeln. »Ihr findet viel zu großen Gefallen daran, über mein Leben zu bestimmen«, hielt sie ihm vor.
Alexander legte die behandschuhte Hand an Graces Wange und umschloss dann ihr trotzig erhobenes Kinn. »Ich versuche nur, einfühlsam zu sein.«
Sein Griff war leicht, kaum spürbar, und dennoch spürte sie seine Berührung wie einen Blitz im ganzen Körper.
»Ich wünschte nur, das alles wäre vorüber.«
Sein leises Lachen drang durch die frostkalte Luft. »Ich weiß nicht recht. Ich finde es interessant, eine Verlobte zu haben.«
»Ihr macht wohl Scherze.«
»Ihr seid wunderschön und klug, und wenn Ihr nicht Feuer speit, ist Euch ein ganz gewisser Charme eigen. Euch zu meiner Verlobten zu haben gestattet mir außerdem, dies zu tun.«
Der Druck der Finger um ihr Kinn verstärkte sich, als Alexander sich unvermutet zu Grace herunterbeugte, um ihre Lippen mit einem kurzen, brennenden Kuss in Besitz zu nehmen.
Es kostete Grace weit mehr Anstrengung, als sie zuzugeben bereit war, sich aus seinem Griff zu befreien. Wäre sie nicht ganz und gar davon überzeugt, zur alten Jungfer bestimmt zu sein, dann würde sie fürchten müssen, dass diese Küsse ihr weitaus besser gefielen, als es für ein tugendhaftes Mädchen schicklich war.
»Wirklich, Sir, Ihr müsst damit aufhören«, zwang sie sich zu protestieren.
»Warum? Es ist so überaus vergnüglich.«
»Jemand könnte es sehen.«
In seinen blauen Augen blitzte es amüsiert auf. »Genau das war meine Absicht. Wenn Ihr Euch umschaut, werdet Ihr entdecken, dass Wallace sich am Waldrand herumdrückt.«
Abscheu machte sich in Grace breit, als sie sich hinunterbeugte, um die Krallen des beharrlichen Byron aus dem Saum ihres Umhangs zu lösen. Dabei spähte sie vorsichtig zu den Bäumen hinüber, die in der Nähe des Cottages standen. Es dauerte nur Sekunden, um die korpulente Gestalt zu entdecken, die auf geradezu lächerliche Weise versuchte, sich hinter einem schmalen Baumstamm zu verbergen.
Grace richtete sich wieder auf und drückte das zufriedene Kätzchen an ihr heftig klopfendes Herz. »Er spioniert uns nach, diese ... diese Kröte.«
»Natürlich.« Alexander schien von den unschönen Ange-wohnheiten seines Gastes bemerkenswert unbeeindruckt.
»Er will es
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