Samuel Carver 02 - Survivor
dem Hotelzimmer im Kopf hatte und obwohl er wusste, dass sie an dem Nachmittag miteinander geschlafen hatten, war die Erinnerung flüchtig und substanzlos wie ein Gespenst aus einer Zeit, die dem Bewusstsein ein für alle Mal entschwunden ist.
Und dann sah er das Foto von Aliks auf der Jacht, wo ein anderer Mann sie anfasste, und alle Gefühle, die er zuvor weit weg geglaubt hatte, quollen hervor, und es schmerzte, als würde man ihm ein Brandeisen mit ihrem Namen ins Herz stoßen und ihn fürs ganze Leben zeichnen.
»Setzen Sie sich«, sagte Grantham. »Ich besorge Ihnen einen Drink. Sie sehen aus, als könnten Sie einen gebrauchen.«
Er schnippte mit den Fingern nach einem seiner Männer, als riefe er nach dem Kellner. »Whiskey, hopphopp.«
Carver sah in Granthams selbstgefälliges Gesicht. »Es interessiert Sie nicht die Bohne, oder?«
Grantham ließ den Zorn über sich ergehen. »Im Gegenteil, mich interessiert die Arbeit, die ich mache, und das Land, für das ich sie mache. Darum bin ich hier. Jemand hat Aleksandra Petrowa beauftragt, die Honigfalle für Kurt Vermulen zu spielen. Und ich bin sicher, Ihnen ist genau wie mir schon klar geworden, dass sie zu ihren alten Wurzeln zurückgekehrt ist und wieder für die Russen arbeitet. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht war es ihr zu langweilig, neben Ihnen zu sitzen und darauf zu warten, dass Sie aufwachen …«
»Sie hat meine Rechnungen bezahlt«, sagte Carver.
»Bewundernswert. Sie hat ihre ein wenig befleckte Tugend für den Mann geopfert, den sie liebt.«
Carver sah Grantham an, warf einen Blick zu dessen Leuten, dann beugte er sich nach vorn. »Komisch, wie mir plötzlich die Vergangenheit in den Sinn kommt. Wenn ich Sie so höre, muss ich wieder an unser letztes Zusammentreffen denken. Sie machten damals auch so eine klugscheißerische Bemerkung, und ich sagte Ihnen, dass ich Sie mit Ihrem eigenen Kugelschreiber töten kann. Wissen Sie noch?«
»Schon gut«, sagte Grantham. »Das war ein billiger Seitenhieb. Also kommen wir zur Sache. Wissen Sie, wie die an Petrowa rangekommen sind und zu dieser Eskapade angestiftet haben?«
»Es war die Witwe von Juri Schukowski. Sie ist zu der Kneipe gegangen, wo Aliks gearbeitet hat. Aliks hat versucht, zu entkommen. Offenbar hat sie es nicht geschafft.«
»Ah ja«, murmelte Grantham verständnisvoll. »Wir dachten uns doch, dass das Schukowskajas Handschrift ist – eine sehr mächtige, beeindruckende Dame. Sie können mich für einen Zyniker halten, aber mir kommt der Gedanke, dass Miss Petrowa die ganze Zeit über für sie gearbeitet haben könnte.«
»Das bezweifle ich. Sie hat mit ihrem Mann gevögelt.«
»Ganz recht. Schukowskaja hat die Geliebte ihres Mannes kontrolliert. So ist sie. Brillant …«
Einen Moment lang schien Grantham sich der Bewunderung hinzugeben. Dann fasste er sich wieder.
»Wie dem auch sei, ich werde Ihnen sagen, was Petrowa gemacht hat, seit Sie sie zuletzt gesehen haben. Wir glauben, dass sie Vermulen in Washington an die Angel genommen hat, dort lebt er für gewöhnlich, aber sie sind seit einigen Wochen in Europa unterwegs und gebärden sich wie Verliebte in den Flitterwochen. Ich kann verstehen, warum die Russen neugierig sind, denn Vermulen verfolgt ganz sicher irgendeinen Auftrag. Er hat sich in Amsterdam mit jemandem getroffen, aber wir wissen nicht, mit wem. Danach ist er nach Wien gereist, um einen Burschen namens Novak zu treffen, der sein Geld mit dem Verkauf von Waffen und Informationen verdient. Sein Kontakt in Venedig war ein früherer Offizierskollege mit Namen Reddin. Wie Sie auf dem Foto sehen können, ist Mrs Reddin mitgereist, sodass es auch eine rein private Begegnung gewesen sein könnte, aber das bezweifle ich. Danach kam Rom. Wir sind ihm bis zu einem weiteren Treffen auf den Fersen geblieben, aber die Bilder waren lausig, und wir konnten die andere Partei nicht identifizieren. Jetzt sind sie auf einer Jacht, die Vermulen gemietet hat, angeblich um Urlaub auf dem Mittelmeer zu machen.
Die letzten Bilder, die ich Ihnen gezeigt habe, wurden ein paar Tage vorher aufgenommen, vor der Küste von Korsika. Ich bin der Ansicht, dass sie eine Auseinandersetzung haben. Oder aber sie wird anschmiegsam, um ihn zu beschwichtigen. Sehen Sie, sie operiert allein, ohne Unterstützung. Sie muss alles tun, was möglich ist, damit er nett bleibt. Aber je näher sie ihm kommt, desto wütender wird er sein, wenn er entdeckt, dass sie ihn getäuscht hat. Sie kann nicht einfach
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