Samuel Carver 02 - Survivor
Angriff.«
Rhetorisch klang das ganz gut, aber bei einem Mann, der in einem Luxusrestaurant saß und nicht als Soldat an der Front stand, fand Carver das heuchlerisch.
»Auch Sie haben das Militär verlassen«, erwiderte er. »Sie haben aufgehört zu kämpfen. Wie können Sie uns anderen da vorwerfen, nichts zu tun?«
Einen Moment lang war zu spüren, wie Vermulen an diesem Angriff auf seine Selbstachtung kaute. Aber dann fasste er sich wieder.
»Im Gegenteil, ich habe das Heer gerade deshalb verlassen, weil unsere Verteidigung und die Außenpolitik nicht darauf vorbereitet waren, die nötige Schlacht zu schlagen, die Schlacht, von der ich glaube, dass sie das Schicksal des Westens bestimmen wird: die Schlacht gegen den radikalen Islam.«
Carver war verblüfft. »Was sind Sie, so eine Art Kreuzfahrer?«
»Absolut nicht. Ich will überhaupt keinen Krieg. Aber ich fürchte, dass er trotzdem kommt. In Afghanistan hat er angefangen. Er wird in Tschetschenien geführt und im ehemaligen Jugoslawien. Islamische Terroristen wollen im Kosovo einen radikalen muslimischen Staat schaffen, der imstande ist, Europa ein Messer in die Eingeweide zu treiben. Und danach sind die Staaten an der Reihe.«
»Glauben Sie?«, sagte Carver. »Was hat das mit meinem Besuch hier zu tun?«
»Sie sollen mir etwas beschaffen, das ich für unseren Kampf dringend benötige. Und indem Sie es an sich bringen, entziehen Sie es unserem Feind. Sie kommen aufgrund guter Empfehlungen zu mir, darum will ich Ihnen ein ernsthaftes Angebot unterbreiten. Sie bringen mir, was ich will, in seinem ursprünglichen Zustand, und ich zahle Ihnen fünfhunderttausend Dollar, die Hälfte im Voraus, in der von Ihnen gewünschten Form auf das Konto, das Sie mir nennen.«
»Was soll ich beschaffen?«
»Ein Dokument. Fragen Sie mich nicht nach dem Inhalt, denn den werde ich Ihnen nicht verraten. Ich kann nur sagen, dass es von großer Bedeutung für die Zukunft des Weltfriedens ist.«
Carver machte ein so gleichgültiges Gesicht, wie Wynter es getan hätte. »Sie sagen das, als ginge mich das etwas an. Wo ist denn nun das Dokument?«
Vermulen beugte sich nach vorn und senkte die Stimme. »Es liegt in einem Umschlag, der mit Siegellack verschlossen ist. Das Siegel muss unversehrt sein, wenn ich ihn bekomme, sonst werde ich die Restzahlung verweigern. Der Umschlag befindet sich zurzeit zwanzig Kilometer von hier im Safe eines Hauses, das oberhalb von Tourrettes-sur-Loup in den Bergen liegt, westlich von Vence. Die Männer, die es bewachen, sind bewaffnet und haben ausgebildete Hunde bei sich. Innen und außen gibt es Bewegungsmelder. Die Türen und Fenster im Parterre sind mit einer Alarmanlage gesichert. Ich kenne weder das Modell des Safes noch den Typ des Schlosses. Die Kombination, falls es eine gibt, ist mir ebenfalls unbekannt. Sie rechnen am besten damit, dass er zusätzlich durch Hand- oder Augenscanner gesichert ist.
Die Bewohner des Hauses sind gebürtige Georgier, die zu einer russischen Bande gehören. Der Anführer ist ein gewisser Bagrat Baladze. Er bleibt nicht gern lange am selben Ort, darum wird er sich mit seinen Leuten und dem Dokument höchstens noch sechsundneunzig Stunden dort aufhalten, eher weniger. Ich weiß nicht, wohin sie sich dann begeben und ob man ihnen auf der Spur bleiben könnte. Also muss es jetzt getan werden. Sind Sie interessiert?«
Carver gab sich nicht sonderlich beeindruckt. »Ich bin mir nicht sicher. Sehen Sie, ich plane meine Arbeit gerne sorgfältig. Das kann Wochen dauern oder sogar Monate. Bei sorgfältiger Planung passieren keine dummen Fehler. Darum sitze ich hier bei Ihnen und nicht im Gefängnis.«
»Das gleiche Prinzip gilt beim Militär«, pflichtete Vermulen bei, der wieder im normalen Ton sprach. »Aber es gibt eben auch Zeiten, wo Schnelligkeit entscheidend ist. Das ist hier der Fall. Können Sie den Auftrag ausführen oder muss ich mir einen anderen suchen?«
»Kommt drauf an. Erzählen Sie mir etwas über das Haus.«
»In diesem Koffer sind detaillierte Pläne.«
»Mag sein, aber verraten Sie mir trotzdem die wesentlichen Merkmale.«
»Die Anlage entspricht dem typischen Feriendomizil dieser Gegend. Es ist ein alter Bauernhof, der frisch renoviert wurde. Er wurde noch nicht auf dem Markt angeboten, jedenfalls nicht offiziell.«
»Die Handwerker sind also gerade erst abgezogen?«
»Ich nehme es an.«
»Gut, das könnte von Nutzen sein. Beschreiben Sie mir das Grundstück. Wie groß ist es? Gibt es
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