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Samuel Carver 02 - Survivor

Samuel Carver 02 - Survivor

Titel: Samuel Carver 02 - Survivor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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keinen Zweck, in eins der feinsten Wiener Restaurants zu gehen, wo das Essen so ernst genommen wurde wie in Frankreich oder Italien, wenn man es dann nicht genießen konnte.
    »Machen Sie sich Sorgen, was Ihnen zustoßen könnte? Ich bitte Sie, wir leben nicht mehr in den alten Zeiten. Wir sind keine Stalinisten mehr.«
    Novak entspannte sich ein wenig. Er konnte sich überwinden und bestellt Hühnchen in Aspik.
    »Gut«, sagte Schukowskaja, »und als Hauptspeise empfehle ich den Tafelspitz, dazu gestürzte Erdäpfel, Cremespinat und Apfelkren. Es heißt, es ist der beste in ganz Wien. Aber das wissen Sie natürlich, Sie leben ja hier. Lassen Sie uns beim Essen nicht über das Geschäftliche reden. Sprechen wir über die gute alte Zeit … als Sie noch für die Amerikaner gearbeitet haben.«
    Fast hätte Novak sein Hühnchen in Aspik über den Tisch gespuckt. Er konnte es gerade noch verhindern und schluckte den Bissen hinunter, während er nach einer Erwiderung suchte.
    Schukowskaja kam ihm zuvor. »Kommen Sie, für wie inkompetent haben Sie uns gehalten? Natürlich wussten wir es. Aber es war für uns von Nutzen, Sie am Leben zu lassen. Sie waren eine zuverlässige Quelle, weil Sie wirklich glaubten, dass die Informationen, die Sie weitergegeben haben, echt waren. Aber ich fürchte, das war nicht oft der Fall. Dafür haben wir gesorgt. Anstatt uns zu schaden, wie Sie wohl gehofft haben, haben Sie der Sowjetunion tatsächlich einen großen Dienst erwiesen, indem Sie unsere Feinde in die Irre führten … Oh, sehen Sie, Ihr Weinglas ist leer. Vielleicht kann Ihnen der Sommelier noch etwas empfehlen.«
    Endlich war Novak imstande zu sprechen. »Seit wann wussten Sie es?«
    »Nun, ich war damals noch ein untergeordneter Offizier, darum erfuhr ich es erst sehr viel später. Aber meine Vorgesetzten wussten schon von Ihrem Verrat, als Sie die erste nervöse Annäherung an die Amerikaner wagten.«
    »Mein Gott … Wie tief sind Sie in die DIA vorgedrungen?«
    »Wir konnten ein paar Offiziere erpressen. Andere haben wir bezahlt. Ein oder zwei haben aus ideologischen Gründen für uns gearbeitet. Aber insgesamt waren es nicht viele, nicht mal ein Dutzend. Ihr Kontaktmann, dieser Vermulen, war seinem Land immer treu. Sowohl ihm als auch Ihnen war es absolut ernst mit der Sache. Das war wichtig für uns.«
    »Und warum wollen Sie mich heute sprechen?«
    Schukowskaja schob ihre halb gegessene Portion Kaviar zur Seite. »Also gut, wenn es Ihnen lieber ist, reden wir beim Essen darüber. Vielleicht ist das auch besser. Gut … Was haben Sie mit Vermulen in der Oper besprochen?«
    »Nichts. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Und ich bin nicht so besonders für die Oper.«
    Schukowskaja machte ein gequältes Gesicht. »Noch einmal, Gospodin Novak, ich muss die alte Bitte wiederholen: Unterschätzen Sie uns nicht. Sie sind hier in der Oper gewesen. Don Giovanni. Sie haben mit Vermulen vor der Vorstellung gesprochen, in der Bar. Ich frage Sie also noch einmal: Warum haben Sie sich mit ihm getroffen? Worüber haben Sie gesprochen? Was für Kontakte hatten Sie seitdem? Und ich wiederhole: Wenn Sie offen mit mir sprechen, können wir uns alle wie zivilisierte Menschen benehmen. Wenn nicht … Nun, verderben wir uns nicht das Essen mit solchen Gedanken.«
    Ihre Drohung ließ Novak kalt. Was ihn betraf, so war er bereits ein toter Mann. Die einzige edle Tat, die er in seinem Leben unternommen hatte, sein persönlicher Feldzug gegen den kommunistischen Besatzer, hatte sich als Täuschung entpuppt. Anstatt der Freiheit zu dienen, hatte er ihr wahrscheinlich geschadet. Und jetzt löste sich sein zarter Versuch, die Bombenliste nicht in die falschen Hände geraten zu lassen, vor seinen Augen in nichts auf.
    Vielleicht wäre jetzt eine große, aufopferungsvolle Geste genau das Richtige. Er könnte sich weigern, etwas zu verraten, und sich die Wahrheit aus dem Leib prügeln lassen. Vielleicht würde er so lange durchhalten, bis Vermulen getan hatte, was er tun musste. Aber solch ein Widerstand verlangte Anstrengung und psychische Kraft, und ihm wurde soeben schmerzlich bewusst, dass er für solche Anstrengungen keine Kraft mehr hatte. Warum noch länger so tun als ob?
    Novak winkte dem Weinkellner. »Ich hätte gern einen roten Bordeaux, einen, an den man sich sein Leben lang erinnert. Der Preis spielt keine Rolle.«
    Der Weinkellner, dem klar war, wer das Essen bezahlte, blickte Schukowskaja an. Sie nickte kaum merklich, dann kam er

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