Samuel Carver 04 - Collateral
Diamantenraub vortäuscht. Die Diebe kommen herein, schalten die Hausbewohner aus, dann nehmen sie sich die Steine. Die beste Zeit dafür ist, wenn der ganze Haushalt auf Knien bei der Kommunion ist – und die Wachsamkeit nachlässt. Es wird am Ende so aussehen, als hätten zwei verschiedene Gruppen von Leuten die Situation ausnutzen wollen. Gushungo verlässt das Land, bei der Gelegenheit reißt sein politischer Gegner mit einem Staatsstreich die Macht an sich. Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Das ist völlig einsichtig. Inzwischen karren die Gushungos Diamanten im Wert von Millionen nach Hongkong; eigentlich ist es ein Wunder, dass die noch keiner ausgeraubt hat. Ist es ein günstiger Zufall, dass beides zur selben Zeit passiert? Ja. Lässt sich eine Verbindung beweisen? Nein. Dafür werde ich sorgen. Und das wäre wesentlich einfacher, wenn Ihre Nichte nicht dabei wäre. Nennen Sie mir einen guten Grund, weshalb sie dabei sein muss, außer dass sie Onkel Wendell das Leben zur Hölle macht, wenn sie ihren Willen nicht kriegt.«
»Es gibt sogar zwei gute Gründe. Erstens hat sie sich das Recht dazu erworben, denn sie hat die Sache ausgekundschaftet, und der Plan stammt von ihr. Zweitens kommen Sie ohne Zalika an die Diamanten nicht heran.«
»Wieso nicht?«
»Sie liegen in einem Safe«, erklärte Klerk. »Der lässt sich per Scanner öffnen, wenn der die Hand von Faith Gushungo erkennt. Sie brauchen also die Hand einer Frau. Ihre wäre zu groß.«
»Und über den Scanner wissen Sie Bescheid, weil ...?«
»Weil eine der Hausangestellten, eine junge Frau namens Tina Wong, in Wirklichkeit ein ehemaliger Detective Sergeant der Hongkonger Polizei ist. Sie war bei der Abteilung für organisiertes Verbrechen. Seit drei Monaten arbeitet sie für uns in diesem Haus. Sie kann Ihnen einen Handabdruck besorgen. Sie kann gewährleisten, dass die Haustür unverschlossen ist. Sie kann nur die Diamanten nicht für Sie beschaffen, weil sie am Gottesdienst teilnehmen muss wie alle anderen auch. Außerdem ist sie Chinesin, also sehr zierlich; ihre Hand wäre in jedem Fall zu klein.«
»Und Zalika hat offenbar Goldlöckchens Hände. Dann braucht sie jedoch vorher eine spezielle Ausbildung. Sie sagen, Sie haben einen Grundriss des Hauses?«
»Ja.«
»Haben Sie in Suffolk Nebengebäude?«
»Selbstverständlich.«
»Gut. Lassen Sie irgendeine Scheune entsprechend dem Grundriss des Zielhauses herrichten. Muss nicht besonders ausgefeilt sein: Kreidestriche auf dem Boden, die Treppen und ein Obergeschoss aus einem Gerüst mit Brettern genügen, solange die Maße stimmen. Versuchen Sie ein Exemplar dieses Safes zu bekommen oder zumindest einen ähnlichen. Wir werden da nicht reingehen und ihn aufsprengen. Keine Schusswaffen, kein Rauch, keine Sprengsätze. Wir machen es mit Timing, und das muss perfekt sein. Wenn Zalika mir beweist, dass sie das schafft, kann sie mitkommen. Andernfalls versuche ich mein Glück mit Ihrer Chinesin. Alles klar?«
»Ja«, sagte Klerk. »Und jetzt nenne ich Ihnen meine Anforderung für diesen Auftrag. Ich habe mit der jungen Dame noch Großes vor, also bringen Sie sie mir unversehrt nach Hause zurück. Sie haben das einmal geschafft, Sie werden es auch diesmal tun.«
»Ich versuche mein Bestes.«
»Nein, Carver, Sie tun es.«
43
Eine halbe Stunde nach dem Gespräch zwischen Klerk und Carver erhielt Moses Mabeki einen weiteren Anruf von Campden Hall.
»Das ist eine gute Neuigkeit«, sagte er. »Ich hatte schon überlegt, in Malemba zu bleiben, wenn Gushungo ins Ausland reist, damit ich an günstiger Stelle bin und reagieren kann, falls ...« Mabeki suchte leise lachend nach den richtigen Worten. »Falls etwas Unvorhergesehenes passiert. Aber bei einiger Überlegung halte ich es für das Beste, wenn ich den Präsidenten und die First Lady nach Hongkong begleite, sodass ich dort helfen kann, falls es erforderlich ist. Ja, das ist sicherlich die bessere Variante.«
44
Carver war kein religiöser Mensch, obwohl es Zeiten gegeben hatte, wo er für die Trostworte der Militärseelsorger dankbar war, vor einem Kampfeinsatz oder am Grab eines gefallenen Freundes. Doch an diesem Nachmittag unternahm er eine kurze Fahrt auf der Route 1. An der Abfahrt Nyon fuhr er nach links vom Genfer See weg und hinauf nach Gingins. Das Dorf war eine kleine Oase englischen Lebensstils im Herzen der Schweiz. Es hatte einen Kricketklub und eine schöne alte Kirche, wo die anglikanische Gemeinde
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