Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
habgierig geworden. Sie haben sich selbst zugrunde gerichtet!«
»Und wer beschützt Kyoto heute vor bösen Geistern?«
»Es gibt hier noch viele andere Klöster«, sagte Akiko. »Kyoto ist eine Stadt der Tempel. Zum Beispiel dort an diesem steilen Hang siehst du über den Bäumen gerade noch den Tempel Kiyomizudera, den Tempel des reinen Wassers. Er schützt die Quelle des Flusses Kizu, die Otowa-no-taki.«
»Was bedeutet Otowa-no-taki?«
»Geräusch-von-Federn-Wasserfall. Sein Wasser hilft angeblich gegen jede Krankheit, wenn man es trinkt.«
Jack betrachtete den mächtigen Pagoden-Tempel, bis er nicht mehr zu sehen war.
Sie zogen durch die schmalen Straßen und Gassen Kyotos. Akiko zeigte Jack verschiedene Schreine und Tempel. Jede Straße schien ein eigenes Heiligtum zu haben. Schließlich gelangten sie auf eine große, gepflasterte Straße, die von einem prächtigen, mit Blattgold verzierten Holztor mit einem großen geschwungenen Dach beherrscht wurde. Zu beiden Seiten des Tores erstreckten sich mehrere Hundert Meter lange erdig braune, mit jadegrünen Ziegeln bedeckte Wände. Sie umschlossen die dahinterliegenden Gebäude vollständig.
»Kyoto Gosho«, flüsterte Akiko in tiefster Ehrfurcht.
»Der Kaiserpalast«, erklärte Yamato Jack auf seinen fragenden Blick hin. »Hier wohnt der Kaiser von Japan, der Lebende Gott.«
Masamoto verbeugte sich kurz in Richtung des Palasts und ritt nach links an der Palastmauer entlang. Die anderen folgten ihm. Sie galoppierten über die breite Straße und tauchten wieder in die engen Gassen der Stadt ein. Wenig später standen sie erneut vor einem von einer Mauer umschlossenen Anwesen.
Dicke weiße Wände auf steinernen Fundamenten umgaben eine dreistöckige Burg mit einem großen, geschwungenen Dach. Am Fuß der Mauern erstreckte sich ein breiter Graben, Türme an den Ecken bewachten das Haupttor und die Durchgänge. Die Burg wirkte uneinnehmbar.
»Wir sind da«, sagte Kuma-san.
»Wir wohnen in einer Burg?«, fragte Jack erstaunt.
»Nein! Das ist die Burg Nijo. Hier wohnt der Daimy ō Takatomi.« Mit unüberhörbarem Stolz fügte Kuma-san hinzu: »Wir wohnen im Butokuden .«
Sie stiegen ab und Jack holte sein Gepäck aus der Satteltasche.
»Was ist der Butokuden?«, fragte er Akiko flüsternd. Er wollte Kuma-san nicht kränken.
»Die ›Halle der Kriegstugenden‹«, erklärte Akiko leise. Sie nickte in Masamotos Richtung. »Sie ist der Sitz von Masamotos Schule Niten Ichi Ry ū , der größten Schwertkampfschule Kyotos und der einzigen, die vom Daimy ō Takatomi persönlich unterhalten wird. Hier werden wir im Bushido ausgebildet, dem Weg des Kriegers.«
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein großes Gebäude aus dunklem Zypressenholz und weiß gestrichenen Lehmwänden, gekrönt von zwei Lagen heller gelbroter Ziegel. Aus seiner Fassade sprang ein kunstvoll geschnitztes Eingangstor hervor, an dem das Wappen des Phönix prangte.
Unter den flammenden Flügeln des Vogels stand Masamoto und wartete auf Akiko, Yamato und Jack.
»Willkommen in meiner Schule, der Niten Ichi Ry ū «, sagte er stolz.
Akiko, Yamato und Jack verbeugten sich und folgten Masamoto in die »Schule der beiden Himmel«.
Schon von draußen hörte Jack aus der Übungshalle Kiai -Rufe.
Masamoto betrat die Halle und jemand rief laut »Rei!« . Sofort hörten die Rekruten auf zu üben und es wurde so still, dass Jack sie sogar atmen hörte. Die Gruppe verbeugte sich wie ein Mann und verharrte als Zeichen höchsten Respekts in dieser Stellung.
»Weitermachen«, befahl Masamoto.
»Arigat ō gozaimashita, Masamoto-sama!« , brüllten die rund vierzig Samuraischüler im Chor, dass die Wände erzitterten.
Dann kehrten sie pflichtbewusst zu ihren Übungen zurück. Die Spätnachmittagssonne, die durch die schmalen Papierfenster schien, verlieh ihren Bewegungen etwas geradezu Mystisches. Parallel dazu kämpften ihre Schatten auf dem honigfarbenen Holzpflaster, mit dem der Übungsbereich ausgelegt war.
Jack sah sich überwältigt um. Von den Säulen aus Zypressenholz und der hohen, holzgetäfelten Decke bis zu dem in einer runden Nische stehenden Zeremonialthron strahlte die Halle eine Aura absoluter Macht aus. Sogar die in ordentlichen Reihen an ihrem Rand knienden Schüler schienen vollkommen auf ihre Aufgabe konzentriert. Hier wurden wahrhaftig die Krieger der Zukunft herangezogen.
Langsam wie bei einem sich entfernenden Unwetter kehrte in der Halle wieder Ruhe ein. Jack
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