Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
Scheide sorgfältig fest und verließ den Schrein.
Bevor er sich an den Abstieg machte, blickte er nach unten und sah, dass Yamato sich immer noch nicht von der Stelle gerührt hatte.
Schnell stieg er zu ihm hinab.
Yamato sah ihn diesmal nicht an. Er klammerte sich nur an der Felswand fest und zitterte am ganzen Leib wie ein Blatt im Sturm.
Jack versuchte seine Aufmerksamkeit zu erregen.
»Du kannst dich ja gar nicht mehr bewegen, Yamato«, sagte er ehrlich besorgt.
Er hatte das oft bei Matrosen an Bord der Alexandria erlebt. Von Angst überwältigt, verweigerte der Körper jede Bewegung. Schwindel erfasste den betreffenden Matrosen und nach einer Weile ließ er los und fiel ins Meer oder, noch schlimmer, auf das Deck.
Jack merkte, dass Yamato nicht mehr viel Kraft hatte. Er musste ihn so schnell wie möglich nach unten bringen.
»Lass dir helfen. Geh mit dem rechten Fuß …«
»Ich kann nicht …«, sagte Yamato schwach.
»Doch, natürlich. Stell den rechten Fuß auf den kleinen Vorsprung unter dir.«
»Ich kann nicht … das ist zu weit …«
»Nein, vertrau mir, du schaffst das.«
»Was geht dich das überhaupt an?«, rief Yamato böse und der Zorn löste seine Starre. »Du hast mir meinen Vater weggenommen!«
»Weggenommen?«, fragte Jack verwirrt.
»Ja, du! Bevor du kamst, war alles gut und mein Vater hat mich allmählich akzeptiert. Ich stand nicht mehr im Schatten Tennos. Dann hast du mir meinen Vater weggenommen …«
»Habe ich nicht. Er wollte mich als Sohn! Ich hatte doch keine Wahl.«
»Doch!«, fauchte Yamato hasserfüllt. »Du hättest mit dem Rest deiner Mannschaft sterben können!«
»Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte der Ninja dich getötet!«, erwiderte Jack heftig.
»Davon rede ich ja gerade. Ich wäre einen ehrenhaften Tod gestorben – genau wie mein Bruder Tenno. Aber du musstest mich unbedingt retten! Wegen dir habe ich das Gesicht verloren!«
»Ihr Japaner mit eurem Stolz!«, rief Jack aufgebracht. »Was heißt hier ›Gesicht verloren‹? Ich habe dir das Leben gerettet. Wir waren … Freunde. Wenn ich Masamoto als Vater gewollt hätte, hätte ich dich sterben lassen. Aber ich will deinen Vater nicht. Ich will meinen Vater, doch der ist tot!«
»Ich wünschte, ich wäre auch tot!«, sagte Yamato grimmig und sah hinunter zu dem Felsenbecken. »Du hast das Jadeschwert und den ganzen Ruhm. Mein Vater wird mich nie mehr eines Blickes würdigen. Ich habe ihn verraten. Ob du willst oder nicht, er gehört jetzt ganz dir!«
Mit diesen Worten sprang er.
39
Die Entschuldigung
»Nein!«, brüllte Jack und streckte vergeblich die Hand nach Yamato aus. Der Junge verschwand hinter dem weiß schäumenden Vorhang des Wasserfalls.
Hastig kletterte Jack den Felsen hinunter, sprang wieder auf die Terrasse und drängelte sich an einigen Pilgern vorbei, die sich dort versammelt hatten und das Geschehen neugierig verfolgten.
»Kann ihn jemand sehen?«, rief Jack und spähte über das Geländer in das brodelnde Becken.
»Nein, der Wasserfall hat ihn hinuntergedrückt und er ist noch nicht wieder aufgetaucht«, antwortete ein Pilger und musterte Jack misstrauisch.
»Wahrscheinlich ist er auf einem Felsen aufgeschlagen«, meinte ein anderer.
Weitere Pilger kamen aus der Haupthalle und eilten zum Geländer.
»Da ist er!«, rief einer und zeigte auf das Becken.
Yamato tauchte für einen kurzen Moment wieder auf und schnappte nach Luft, dann erfasste ihn der Strudel erneut und zog ihn nach unten.
»He, der Junge hat das Jadeschwert genommen!«, rief ein Mönch, der aus dem inneren Heiligtum der Haupthalle getreten war, und zeigte auf Jack. »Ergreift ihn!«
Jack blickte über den Rand der Terrasse. Sie war nach seiner Schätzung mindestens so hoch wie die Rah der Alexandria , aber er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie Matrosen Stürze aus sehr viel größerer Höhe ins Meer überlebt hatten. Sollte er springen?
»Haltet ihn fest!«, rief der Mönch. »Er hat das Jadeschwert!«
Jack überlegte nicht weiter, sondern sprang.
Die Luft strich pfeifend an seinen Ohren vorbei und für einen kurzen Augenblick fühlte er eine schwerelose Ruhe. Er sah flüchtig Kyoto durch den Dunst, dann stürzte er in das eisige Becken.
Der Aufprall verschlug ihm den Atem und er schluckte viel Wasser. Das Schwert zog ihn nach unten, doch er strampelte und tauchte würgend und spuckend auf. Erst jetzt konnte er wieder einen Gedanken fassen.
Yamato war nirgends zu sehen. Jack holte ein paarmal tief Luft
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