Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
hören, was gesagt wurde.
Er eilte zur Rückseite des Butokuden. Die Lattenfenster hinter dem erhöhten Teil der Halle waren leicht zu erreichen. So leise er konnte, zog er einen hölzernen Fensterladen auf und spähte hindurch. Er sah direkt in die Nische.
Dort saßen insgesamt vier Menschen. Sie trugen große Kapuzen, sodass ihre Gesichter im Schatten lagen. Jack drückte das Ohr an die Wand und lauschte.
»… Daimyo Kamakura Katsura wird gegen die Christen Krieg führen«, flüsterte eine jugendliche, doch befehlsgewohnte männliche Stimme.
»Die Gaijin sind eine Bedrohung für unsere Traditionen und die gesellschaftliche Ordnung unseres Landes«, fügte eine heisere weibliche Stimme hinzu.
»Aber sie sind doch so wenige, wie können sie eine Bedrohung sein?«, fragte eine dritte Stimme, die hoch und dünn war wie eine Bambusflöte.
»Ihre Priester verbreiten einen Irrglauben und bekehren ehrenwerte japanische Daimyo und deren Samurai mit ihren Lügen«, erklärte die männliche Stimme. »Sie wollen unsere Gesellschaft von innen heraus aushöhlen, unsere Kultur zerstören und das ganze Land und seine Bevölkerung beherrschen.«
»Man muss sie aufhalten!«, sagte die weibliche Stimme heftig.
»Der Daimyo versammelt getreue Samurai um sich und will dann die Christen angreifen«, erklärte die erste Stimme. »Mein Vater Oda Satoshi hat sich ihm angeschlossen und seinem gerechten Anliegen Treue geschworen.«
»Die Gaijin sind der Keim allen Unglücks und müssen vernichtet werden«, zischte die weibliche Stimme hasserfüllt.
»Aber was können wir tun?«, fragte der vierte Schatten.
»Uns auf den Krieg vorbereiten!«, antworteten die männliche und die weibliche Stimme zur gleichen Zeit.
Jack wollte seinen Ohren nicht trauen. Er hatte also die ganze Zeit Recht gehabt und Sensei Yamada hatte sich geirrt. Die Ermordung des christlichen Priesters war kein Einzelfall, sondern nur der Anfang. Daimyo Kamakura wollte alle Christen in Japan töten!
Doch am meisten erschrak Jack darüber, dass er den Anführer der geheimnisvollen Gruppe an der Stimme erkannte. Das war Kazuki, der seinem Vater nachfolgte und zum Krieg aufrief.
Erste Regentropfen klatschten behäbig zu Boden. Schon bald fiel der Regen in Strömen und durchnässte Jack bis auf die Haut. Seine Glieder waren taub vor Kälte. Doch er hielt entschlossen an seinem Platz aus, um noch mehr zu erfahren. Ohne auf Kälte und Nässe zu achten, lauschte er durch den beharrlich auf das Dach des Butokuden trommelnden Regen hindurch angestrengt auf das Gespräch.
»Alle Christen, die das Land nicht verlassen, werden mit dem Tod bestraft«, fuhr Kazuki fort. »Einige werden sich womöglich verstecken und die müssen wir dann aufspüren.«
»Und Jack?«, fragte die hohe, näselnde Stimme. »Er steht unter dem Schutz von Masamoto-sama.«
»Der große Masamoto-sama hat wichtigere Dinge zu tun, als einen Gaijin zu beschützen. Hast du ihn in letzter Zeit in der Schule gesehen? Nein. Er dient Daimyo Takatomi und Jack ist ihm völlig egal.«
»Und ohne seinen Beschützer ist der Gaijin uns ausgeliefert«, ergänzte die weibliche Stimme spöttisch. »Wo immer er sich versteckt, wir finden ihn!«
Jack war wie vor den Kopf gestoßen. Er war so sehr mit der Vorbereitung für die große Prüfung beschäftigt gewesen, dass er Masamotos Abwesenheit gar nicht bemerkt hatte. Erst jetzt fiel ihm ein, dass der Platz seines Beschützers am Kopftisch des Speisesaals schon seit fast einem Monat nicht mehr besetzt gewesen war. Zuletzt hatte er ihn zu Beginn der Bauarbeiten für die Halle des Falken gesehen. Wo war Masamoto? Wenn es hier plötzlich gefährlich wurde, hatte er keinen Beschützer und persönlichen Fürsprecher an der Schule.
»Wenn unser Daimyo zu den Waffen ruft, müssen wir bereit sein«, fuhr Kazuki fort. »Das ist die Aufgabe der Sasori-Bande. Wir werden jetzt schwören, dass wir dieser gerechten Sache treu dienen wollen.«
»Ich brauche Licht für das Aufnahmeritual«, sagte die heisere weibliche Stimme.
Jack hörte, wie ein Feuerstein angeschlagen wurde. Einige Funken glühten auf und im nächsten Augenblick brannte eine kleine Öllampe wie ein einsames Glühwürmchen in der höhlenartigen Halle.
Jack stockte der Atem. Die flackernde Flamme beleuchtete das künstlich gebleichte Gesicht eines Mädchens mit kohlschwarzen ovalen Augen. Seine blutroten Lippen teilten sich in diesem Augenblick und dahinter wurden schwarz angemalte Zähne sichtbar. Jack
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