Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
erkannte das Mädchen sofort. Das war Moriko, der weibliche Samurai, die beim Schulwettbewerb gegen Akiko angetreten war. Moriko kämpfte grausam und rücksichtslos und ging auf die rivalisierende Yagyu-Schule, die auch in Kyoto lag. Jack konnte nicht glauben, dass sie in die Niten Ichi Ry ū eingedrungen war.
»So ist es gut«, flüsterte Moriko heiser. Sie entnahm ihrem Inro ein Tintenfässchen und verschiedene Bambusnadeln und legte alles neben die Lampe. Dann entkorkte sie ein kleines Fläschchen Sake und goss einige Schluck der klaren Flüssigkeit in einen Becher. Den Becher stellte sie in die Mitte zwischen die vier Verschwörer. »Wer möchte das irezumi als Erster machen lassen?«
»Ich«, sagte Kazuki. Er öffnete Mantel und Kimono und entblößte seine Brust.
Moriko nahm eine Nadel, drehte sie langsam über der Flamme hin und her und betrachtete sie dabei aufmerksam. Endlich schien sie zufrieden und tauchte sie mit der Spitze in die schwarze Tinte. Mit der anderen Hand zog sie die Haut über Kazukis Herz straff.
»Das tut weh«, sagte sie. Sie stach mit der Spitze durch Kazukis Haut und führte einen Tropfen Tinte ein.
Kazuki verzog das Gesicht, gab aber keinen Laut von sich. Moriko tauchte die Nadel wieder in die Tinte ein und stach erneut in seine Brust. Langsam und methodisch setzte sie einen Punkt neben den anderen.
Jack wusste, was sie da tat. Er hatte erlebt, wie Matrosen der Alexandria sich die Arme hatten tätowieren lassen. Dabei war es ihm immer vorgekommen, als müsste man unverhältnismäßig viele Schmerzen im Austausch für das kleine Bildchen eines Ankers oder den Namen einer Geliebten ertragen, die im nächsten Hafen schon wieder vergessen war.
»Fertig«, sagte Moriko und ein Lächeln breitete sich wie ein schwarzer Schlitz auf ihrem Gesicht aus.
»Das ist euer Zeichen«, sagte Kazuki stolz und drehte sich den anderen zu. »Der sasori!«
Jack hielt den Atem an. Über Kazukis Herz prangte ein kleiner schwarzer Skorpion – das Tier aus seinen Albträumen.
Auch wenn sich in ihm alles dagegen sträubte, ein solcher Zufall musste etwas bedeuten.
Kazuki hob den Becher mit Sake.
»Wer sich den Skorpion eintätowieren lässt und Sake aus diesem Becher trinkt, ist für immer ein Mitglied der Skorpionbande. Tod allen Gaijin!« Kazuki trank.
»Tod allen Gaijin!«, wiederholten die anderen und öffneten eifrig ihre Kimonos, damit Moriko das irezumi durchführen konnte.
Draußen donnerte es wie zur Bestätigung.
Jack zitterte unbeherrscht. Er schlang die Arme um seinen Oberkörper, um sich zu wärmen, und drückte sich an die Mauer, um sich vor dem Platzregen zu schützen.
Seine Gedanken tosten durcheinander wie die aufgebrachten Elemente. Was sollte er tun? Er hatte genug gehört. Alle Ausländer sollten aus Japan vertrieben werden. Wenn niemand Kamakura aufhielt, betraf das auch ihn. Dann wurde er zum Ausgestoßenen. Er musste Masamoto verständigen, doch wie sollte dieser ihn vor solchen Mächten beschützen?
Ein Windstoß erfasste den hölzernen Fensterladen und schlug ihn krachend gegen den Fensterrahmen. Jack ließ vor Schreck sein Schwert fallen. Scheppernd flog es über den steinernen Boden und verschwand im Dunkel.
»Da ist jemand!«, schrie Moriko von drinnen.
Panik erfasste Jack. Er sah sich suchend um, doch da hörte er schon Schritte näher kommen.
Er ließ das Schwert liegen und rannte um sein Leben.
19
Blindkampf
Er hetzte um die Ecke des Butokuden, wusste aber, dass er den Hof nicht überqueren konnte, ohne von Kazuki und seiner Skorpionbande gesehen zu werden.
Hastig sah er sich um. Die einzige Deckung bot der Rohbau der Halle des Falken. Er rannte hin und sprang in ein Loch des frisch ausgehobenen Fundaments. Es war mit Wasser gefüllt. Im selben Augenblick stürmten einige Gestalten aus dem Butokuden.
Vorsichtig spähte er über den Rand des Lochs. Die ersten beiden Verfolger verschwanden hinter der Übungshalle, die beiden anderen kamen in seine Richtung. Er duckte sich tiefer in den Schlamm. Die beiden näherten sich ihm und Jack hörte das schmatzende Geräusch ihrer Füße im Matsch. Am Rand des überfluteten Fundaments blieben sie stehen.
»Da geh ich auf gar keinen Fall rein«, protestierte eine Stimme.
»Los!«, befahl Kazuki. »Du kannst sowieso ein Bad gebrauchen.«
Jack hörte drei quatschende Schritte und hob den Kopf. Unmittelbar über ihm stand Nobu.
»Weiter kann ich nicht«, jammerte er, ohne Jack zu seinen Füßen zu bemerken. »Sonst gehe
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