Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
warum.«
Jack schwieg.
Drachenauge drückte leicht zu, um Jack an die Schmerzen zu erinnern, die er ihm zufügen konnte. Jack zuckte zusammen und spürte wieder, wie sein Widerstand dahinschmolz.
»Es ist der Schlüssel zu den Meeren der bekannten Welt. Das Land, das ihn besitzt, beherrscht die Meere und die Handelswege. Es kann die Geschicke der ganzen Welt bestimmen.«
Er glaubte zu begreifen, warum Drachenauge ihm diese Frage gestellt hatte. Der Ninja mochte ein gedungener Mörder sein, aber er war kein Narr. Womöglich überlegte er, wie er den offenbar so kostbaren Portolan für seine eigenen Zwecke nutzen konnte.
»Du hast mir sehr geholfen«, sagte Drachenauge. »Jetzt besitzt du für mich keinen Wert mehr. Aber ich halte meine Versprechen, deshalb werde ich dich von deinen Qualen erlösen. Die tödliche Berührung führt zu einem zwar schmerzhaften, aber raschen Tod. Vielleicht spürst du gar nicht, wie dein Herz explodiert.«
Drachenauge bildete mit der Hand einen Schlangenkopf und zielte auf Jacks Brust. Jacks Herz begann zu hämmern, als wollte es ihm aus der Brust springen.
Es ist so weit, dachte Jack. Im Angesicht des Todes, einer gesichtslosen schwarzen Maske mit einem einzelnen grünen Auge, empfand er nur noch Angst. Doch dann, im letzten Moment seines Lebens, verzog er seine blutleeren Lippen zu einem dünnen Lächeln.
»Was gibt es da zu lachen, Gaijin?«, fragte der Ninja, verblüfft über so viel Unverfrorenheit.
Jacks Lächeln wurde breiter. Ihm war klar geworden, dass die Bemühungen Drachenauges letzten Endes fruchtlos bleiben würden. Sein Vater hatte die entscheidenden Informationen des Portolans durch einen selbst erfundenen Code verschlüsselt, den nur Jack lesen konnte. Ohne den Schlüssel war der Portolan wertlos wie ein Puzzle, dem das entscheidende Stück fehlte.
Der Portolan konnte ihn retten wie die Rettungsleine den ertrinkenden Matrosen, dachte Jack und fasste wieder Mut.
»Wenn du mich tötest, kann niemand mehr den Portolan lesen«, sagte er.
»Er ist verschlüsselt?«, erwiderte Drachenauge unbeeindruckt. »Macht nichts, ich kenne einen chinesischen Gelehrten, der alles entschlüsseln kann.«
Damit schlug er zu und Jacks letzte Hoffnung erlosch.
45
Dim mak
Jacks Herz pochte, als wollte es ihm aus der Brust springen, und er bekam kaum noch Luft, als hätte sich eine Schlange um seine Brust geschlungen und drückte ihm nach und nach die Luft ab. Er taumelte gegen die Mauer in seinem Rücken, sank in den Morast hinunter und blieb zuckend und keuchend dort liegen.
Drachenauge beugte sich über ihn, um seinen Triumph zu genießen.
»Bis dein Herz aufhört zu schlagen, bleibt dir noch so lange wie einem Fisch auf dem Trockenen«, sagte er und strich Jack mit einer fast liebevollen Handbewegung eine blonde Haarsträhne aus den Augen. »Aus dir hätte ein großer Samurai werden können, Gaijin, aber genau deshalb kann ich dich nicht laufen lassen. Vielleicht in einem anderen Leben.«
Jack hörte ihm nicht länger zu. Sein Atem pfiff ihm in den Ohren wie Wind, der durch eine Höhle weht. Blut wurde in dumpfen Schlägen durch seinen Körper gepumpt und sammelte sich um sein sterbendes Herz.
Drachenauge hob ruckartig den Kopf. Am Eingang der Sackgasse war eine Gestalt aufgetaucht, die so groß war wie ein Bär.
»Verschwinde, Blinder«, zischte Drachenauge. Er hatte den langen weißen Stock in der Hand des Mannes gesehen.
»Ich rieche Blut«, entgegnete die Gestalt angewidert.
Durch den Schleier seiner vernebelten Sinne erkannte Jack die tiefe Stimme von Sensei Kano.
»Nicht nur dein Blut, Ninja, sondern das Blut deiner vielen Opfer. Wie sehr ich deinesgleichen verachte!«
»Um den Jungen zu retten, kommst du zu spät«, fauchte Dokugan Ryu und löste lautlos einen Wurfstern vom Gürtel. Sensei Kano kam näher und der Ninja schleuderte den gezackten silbernen Stern auf ihn. »Und für dich kommt auch jede Rettung zu spät!«
Leise pfeifend wirbelte der Stern durch die Nacht.
Dem Sensei blieb keine Zeit auszuweichen. Stattdessen hob er den Stock.
Der silberne Stern bohrte sich genau auf der Höhe seiner Kehle in das Holz.
»Das war zu erwarten«, spottete Sensei Kano.
Er stieß mit seinem Stock nach Drachenauges Bauch. Dem Ninja blieb in der engen Gasse keine andere Wahl, als sich flach gegen die Mauer zu drücken. Er entging dem Stock um Haaresbreite. Blitzschnell schlug Sensei Kano wieder zu. Drachenauge wollte den Schlag abwehren, doch die Spitze des Stocks
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