Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
dein Leben.«
Jack hatte für die Wanderung auf den Berggipfel lediglich eine neue weiße Kutte erhalten. Auf seine Frage, ob er zur Prüfung seine Schwerter oder wenigstens etwas Wasser mitnehmen könne, hatte der Hohepriester geantwortet, er habe schon alles dabei, was er brauche.
Er machte sich also auf den Weg zum Gipfel und die anderen Schüler wünschten ihm für die letzte Prüfung viel Glück. Auch Yamato, Kiku und Saburo riefen ihm ihre guten Wünsche zu und hinter ihnen winkten Emi und ihre Freundinnen.
Als er an den Lehrern vorbeikam, verbeugte er sich ehrerbietig vor jedem von ihnen.
Sensei Kano fehlte. Er erholte sich im Tempel unter Aufsicht des medizinkundigen Mönches. Seine Vermutung, der eiserne Stachel sei vergiftet, war richtig gewesen. Der Mönch hatte die Wunde gesäubert und verbunden und dem Sensei ein furchtbar stinkendes Gegenmittel eingeflößt. Anschließend war Sensei Kano die ganze Nacht lang übel gewesen. Nachdem er sich das vierte Mal in einen Eimer übergeben hatte, hatte er Jack lachend versichert, das gehöre zum Reinigungsprozess.
Der Letzte in der Reihe der Lehrer war Sensei Yamada. Der Zen-Meister trat vor und überreichte Jack einen kleinen Papierkranich.
»Von Yori«, erklärte er mit einem heiteren Lächeln. »Er soll dir Glück bringen. Außerdem lässt Yori dir ausrichten, dass es ihm schon wieder viel besser geht und er morgen mit uns nach Kyoto zurückkehren kann.«
»Das freut mich sehr.« Jack nahm den Kranich an sich. »Haben Sie noch einen letzten Rat für mich, Sensei?«
»Folge dem Weg und du wirst dich nicht verirren.«
»Das ist alles?«, fragte Jack überrascht. Die Antwort klang so einfach.
»Manchmal braucht es nicht mehr.«
Der Weg war steinig und führte im Zickzack steil bergauf. Einmal rutschte ein Stein unter Jacks Fuß weg und eine kleine Lawine von Erde und Steinen kollerte polternd den Hang hinunter.
Er blieb stehen, weil er dringend eine Pause brauchte, und setzte sich an den Rand des Weges. Das Unwetter vom vergangenen Abend hatte sich verzogen und die Frühlingssonne wärmte seine schmerzenden Glieder.
Über ihm kreiste ein Falke am wolkenlos blauen Himmel. Jack dachte an den Falken aus seinem Traum und wie Sensei Yamada ihn gedeutet hatte. Der Falke stand für Stärke und Geistesgegenwart, war also bestimmt ein gutes Omen.
Er blickte in das breite Tal hinab und entdeckte seine Mitschüler, die von der grasigen Ebene zu ihm hinaufblickten. So weit oben war alles ruhig und friedlich, die Luft frisch und rein. Das Leben gewann hier eine ganz neue Bedeutung. Das Große wurde klein, Sorgen rückten in die Ferne und der Horizont barg unbekannte Verheißungen.
Bei seiner Rückkehr zum Tempel nach dem Angriff der Ninja waren Akiko, Yamato, Saburo und die anderen, auch Kazuki, zu seiner Erleichterung schon wohlbehalten dort eingetroffen. Man hatte sowohl Jack als auch Sensei Kano sofort zu dem medizinkundigen Mönch gebracht. Sensei Kano hatte das reinigende Mittel bekommen, von dem ihm so übel wurde, Jack ein Beruhigungsmittel, das seine Schmerzen linderte und ihn schlafen ließ.
Beim Einschlafen hatte er noch gehört, wie Masamoto mit dem Befehlshaber der Samurai der Burg des weißen Phönix über den Überfall sprach. Der Befehlshaber glaubte, dass ein örtlicher Ninja-Clan dahintersteckte. Jack hatte schläfrig Drachenauges Namen gemurmelt und der Befehlshaber hatte genickt, als wüsste er Bescheid. Er hatte Masamoto bestätigt, dass es oft zu Überfällen des Clans von Dokugan Ryu kam, wenn wichtige Gäste wie Masamoto den Tempel besuchten.
Am nächsten Morgen hatte Jack erfahren, dass einstimmig beschlossen worden war, den Kreis der Drei fortzusetzen. Kein Ninja-Clan könne je verhindern, dass die Niten Ichi Ry ū diese alte Tradition der Samurai fortsetze, hatte Masamoto erklärt. In Begleitung einer bewaffneten Wache hatte man Jack und die drei anderen noch übrigen Teilnehmer zum Ausgangspunkt der dritten und letzten Prüfung geführt.
Jack sah zu dem gezackten Gipfel hinauf, der wie eine Pfeilspitze in den Himmel aufragte. Dort oben erwartete ihn die Herausforderung der Seele.
Was hatte Tadashi so furchtbar erschreckt, dass er als zitterndes Wrack zurückgekehrt war? Etwas Schlimmeres als die tödliche Berührung konnte Jack sich nicht vorstellen: ein Herz, das ihn zu zerreißen schien.
Wie durch ein Wunder hatte er überlebt.
Es war knapp gewesen.
Er hatte immer noch pochende Kopfschmerzen und seine Glieder fühlten sich an
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