Samurai 3: Der Weg des Drachen
die jungen Samurai vor Masamoto. Einige waren zutiefst erschrocken, andere träumten bereits von Ruhm und Ehre. Jack, der schon Schlachten gegen portugiesische Kriegsschiffe miterlebt hatte, erinnerte sich an Tage und Nächte voll Angst, an Tod und Schmerzen.
Masamoto gebot mit erhobener Hand Schweigen. Er trug seinen feuerroten Festtagskimono, der mit den fünf goldenen Phönixwappen im Schein der Laternen schimmerte wie eine Rüstung. Seine Miene war düster und ernst, die vernarbte Gesichtshälfte leuchtete tiefrot.
»Ihr habt alle mitbekommen, dass Daimyo Kamakura die Christen und Ausländer aus Japan vertreiben will. Er sieht in ihnen eine Bedrohung für unser Land.«
Jack spürte die Blicke seiner Mitschüler auf sich. In den meisten lag Mitgefühl, in einigen aber auch offene Feindschaft.
»Daimyo Takatomi glaubt dagegen an die Zukunft eines geeinten Japan, das Gäste anderer Länder willkommen heißt. Er findet nicht, dass die Religion einen Samurai in seinen Pflichten seinem Kaiser gegenüber behindert. Schließlich bekennt er sich selbst zum Christentum. Deshalb sucht er nach einer friedlichen Lösung des Konflikts. Er ist fest davon überzeugt, dass seine alten Waffenkameraden sich seiner Meinung anschließen werden. Ein Feldzug gegen die Ausländer würde Japan spalten und schwächen. Denn wenn die Daimyos sich zerstreiten, droht Japan ein neuer Bürgerkrieg.«
Unter den Schülern wurde unruhiges Gemurmel laut. Jack blickte verstohlen in Kazukis Richtung. Kazuki grinste hämisch. Bestimmt freute er sich über die Aussicht auf einen Krieg. Bisher hatte seine Skorpionbande sich damit begnügt, Jack zu schikanieren. Jetzt schien das eigentliche Ziel in greifbare Nähe gerückt, dem ihre Mitglieder sich in einer geheimen Aufnahmezeremonie verpflichtet hatte n – »Tod allen Gaijin«. Ein Schauer lief Jack über den Rücken.
»Aber lasst euch von Daimyo Kamakuras Verlautbarungen nicht täuschen!« Masamoto schlug mit der Faust auf den Tisch. »Sein Ruf zu den Waffen lässt vermuten, dass es ihm nicht nur um die Vertreibung angeblicher Feinde aus unserem Land geht. Wir dürfen mit gutem Grund annehmen, dass er nur mit ausländerfeindlichen Vorurteilen spielt, um eine Armee auszuheben, und dass er mit dieser Armee nicht nur unsere ausländischen Freunde vertreiben, sondern sich ganz Japan unterwerfen will.«
Die Schüler starrten Masamoto ungläubig an.
Die Lehrer waren offenbar vorab informiert worden, denn sie zeigten keine Überraschung. Mit ausdruckslosen Gesichtern saßen sie rechts und links von Masamoto auf dem Podium und musterten ihre Schüler mit der grimmigen Entschlossenheit kampfbereiter Krieger.
»Wir müssen deshalb im schlimmsten Fall auch mit einem Krieg rechnen. Ich vertraue darauf, dass ich mich dann auf eure treuen Dienste verlassen kann.« Masamoto machte eine Pause und musterte die in Reihen vor ihm knienden angehenden Soldaten eindringlich. »Wir werden abwarten, was Daimyo Takatomi befiehlt, und bis dahin noch härter üben als bisher.«
Er zog sein Langschwert aus der Scheide und hielt die blitzende Klinge hoch. »Lernt heute, auf dass ihr morgen lebt!«
Donnernd antworteten die Schüler: »Masamoto! Masamoto! Masamoto!«
Beim Abendessen ging es lebhaft zu. Viele Schüler unterhielten sich aufgeregt flüsternd über den drohenden Krieg. Andere aßen stumm und ohne Appetit. Sie mussten die Neuigkeit erst verdauen.
Jack saß zwischen Akiko und Yamato, nur drei Tische von der erhöhten Tafel entfernt, an der Masamoto und die Lehrer aßen. In einigen Jahren würden sie zu dem Tisch unmittelbar unterhalb der Lehrer vorrücken. Wenn es die Schule dann noch gab und sie selbst noch lebten.
»Glaubt ihr, wir müssen alle kämpfen?«, flüsterte Yori und biss sich ängstlich auf die Lippe. Er saß Akiko und Kiku gegenüber.
»Wahrscheinlich«, antwortete Yamato. »Dazu sind wir schließlich da.«
»Aber viele sind noch gar nicht volljährig«, gab Kiku zu bedenken.
»Ich glaube nicht, dass die ganz jungen Schüler schon kämpfen müssen«, meinte Akiko. »Aber die am ersten Tisch bestimmt.«
»Und wir?«, fragte Saburo. Er hatte als Einziger den Appetit nicht verloren und sprach dem Reis und dem gekochten Fisch mit Genuss zu.
»Vielleicht dürfen wir wählen«, sagte Yori hoffnungsvoll.
»Man kann den Krieg nicht wählen«, erwiderte Jack und starrte auf ein Reiskorn, das an seinem Essstäbchen klebte. »Der Krieg wählt uns.«
Er zerdrückte das Korn zwischen beiden
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