Samurai 3: Der Weg des Drachen
der abgeschossen wird. Man durchdringt den Geist des Gegners damit wie mit einem Pfeil.«
Er forderte Jack mit einer Handbewegung auf, anzufangen. »Greif an.«
Jack stürzte sich auf Sensei Yamada.
»JAH!«
Im einen Moment holte Jack noch mit seinem Schwert aus, im nächsten war bereits alle Kraft aus seinen Armen gewichen und er wich taumelnd zurück.
Wie betäubt landete er auf dem Boden der Halle. Ihm war, als hätte ihm jemand die Faust in den Magen geschlagen. Er krümmte sich zusammen und bekam nur noch mit Mühe Luft. Unwillkürlich musste er an Drachenauge denken, der ihm einmal einen dim mak, eine tödliche Berührung, versetzt und damit sein Ki blockiert und zerstört hatte. Er wäre daran fast gestorben.
»Die Atemnot vergeht«, sagte Sensei Yamada beruhigend. »Ich habe nicht meine ganze Kraft in den kiai gelegt.«
»Ich bin sehr beeindruckt«, sagte Kazuki. »Können Sie das noch einmal zeigen?«
»Nein! Das Risiko innerer Verletzungen wäre zu groß. Eine Vorführung ist gut, zwei kiai dieser Stärke könnten tödlich sein.« Er half Jack auf die Beine. »Ihr werdet jetzt alle einen solchen kiai versuchen.«
Aufgeregte Erwartung und zugleich Unruhe machten sich unter den Schülern breit.
Sensei Yamada hob die Hand. »Seid unbesorgt, ihr übt im Unterricht nur an der Klangschale.«
Von Kazuki und den anderen Bandenmitgliedern war enttäuschtes Seufzen zu hören.
»Aber denkt dran, man setzt diese Technik in der Schlacht gegen den Feind ein. Stellt euch in einer Reihe auf, damit jeder es einmal versuchen kann.«
Die Schüler bildeten eine ordentliche Reihe. Ganz vorn stand Saburo. Sensei Yamada ließ ihn vortreten, bis er nur noch einen Schritt von der Klangschale entfernt war.
»Bei der Ausführung dieses kiai müsst ihr Bogen und Pfeil zugleich sein. Atmet ein und leitet euer Ki in das hara. « Der Sensei zeigte auf den Bereich unmittelbar unter Saburos Magen. »Das ist, als würdet ihr wie ein Bogenschütze den Bogen spannen. Dann atmet ihr aus, spannt den Bauch an und schreit ›Jah!‹. Es muss sich anfühlen, als würdet ihr einen Pfeil abschießen.«
Saburo brüllte mit aller Kraft. Sein Gesicht lief vor Anstrengung rot an. »Jaaaaaah!«
Die Schüssel gab keinen Ton von sich.
»Sehr gut, Saburo-kun, sehr kraftvoll«, lobte Sensei Yamada. »Aber achte darauf, dass du den Schrei nicht herauspresst. Er muss aus dem hara kommen, nur dann enthält er dein Ki.«
Saburo nickte eifrig und stellte sich am Ende der Reihe für den nächsten Versuch an.
»Ihr werdet nach und nach lernen, die Schale zum Klingen zu bringen. Je mehr Übung ihr habt, desto weiter könnt ihr euch vom Ziel entfernen, bis ihr euren Gegner aus jeder beliebigen Entfernung besiegen könnt.«
Der restliche Nachmittag verging mit lärmendem Geschrei. Auch Jack war schließlich an der Reihe und brüllte, so laut er konnte. Doch die Klangschale blieb wie bei allen anderen stumm.
Nach ihm trat Yori schüchtern vor. Jack sah zu, wie er Atem holte. Heraus ka m … eine Art Quieken. Die ganze Klasse musste über den jämmerlichen Laut lachen. Selbst Sensei Yamada konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Yori wusste nicht, wohin er blicken sollte. Er senkte beschämt den Kopf und schien förmlich in sich hineinzuschrumpfen. Wie eine erschreckte Maus eilte er durch die Tür der Buddha-Halle nach draußen.
21
Die Waffenwand
Sensei Kyuzo ließ Jack aus der Reihe der Schüler im Butokuden vortreten. »Such dir eine Waffe aus«, befahl er.
Ihr Lehrer im waffenlosen Kampf stand in der Mitte der Übungshalle und hatte die kleinen, steinharten Fäuste in die Hüften gestemmt. Er war kaum größer als ein Kind und wirkte zwischen den mächtigen Säulen aus Zypressenholz, die das gewaltige Gewölbe des Butokuden stützten, noch kleiner. Doch wussten alle Schüler der Niten Ichi Ryu, dass man ihn nicht unterschätzen durfte. Er war so gemein und gefährlich wie eine Grubenotter.
Seine schwarzen Knopfaugen folgten Jack zur Waffenwand der Halle. Ehrfürchtig starrte Jack auf die Sammlung verschiedenster Waffen. Neben den vertrauten Übungsschwertern und Langschwertern hing dort eine große Auswahl tödlicher Kampfmesser. Jack entdeckte auch zwei nodaichi, deren gewaltige Klingen in extralangen Scheiden steckten. Er erinnerte sich, wie Masamoto bei einem Zweikampf am Strand gegen ein solches Schwert gekämpft hatte und nur mit einem Ruder gegen dessen tödliche Reichweite angekommen war.
Links von ihm hingen Bogen und Pfeile,
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