Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
dem Baum in Deckung und verschmolz mit dem Stamm. Seine blonden Haare bedeckte er mit den Armen.
Zwei Samurai betraten den Hof. Sie gingen so dicht an Jack vorbei, dass er sie mit ausgestreckter Hand hätte berühren können.
»Ich hasse den Nachtdienst«, brummte der eine.
Sobald die beiden ihm den Rücken zukehrten, kletterte Jack lautlos auf den Baum. Von dort sprang er auf die nächste Mauer. Er landete mit der Anmut einer Katze.
»Der Gefangene ist ausgebrochen!«, brüllte einer der Samurai, als sie die bewusstlose Wache und den leeren Käfig entdeckten.
Mehrere Samurai eilten mit brennenden Fackeln in den Hof. Im selben Moment sprang Jack von der Mauer. Er landete in einer Gasse und rannte um sein Leben. Während überall in der Burg Schreie ertönten, kletterte er die äußere Burgmauer hinauf und sprang auf der anderen Seite wieder hinunter. Im Zickzack lief er durch die Stadt, stets darauf bedacht, möglichst keinem Samurai zu begegnen. Doch als er auf dem Marktplatz eintraf, sah er aus beiden Richtungen orangerote Fackeln näher kommen.
Verzweifelt sah er sich um. Sein Blick fiel auf ein Wasserfass neben einem Speicher. Er rannte hin und sprang hinein. Dann holte er dreimal tief Luft. Zwar war das Fass nur zu drei Vierteln gefüllt, aber als er untertauchte, stieg das Wasser ihm bis über den Kopf.
Er hielt die Luft an und wartete. Der Schein der Fackeln, der durch die Wasseroberfläche drang, verriet ihm, dass mindestens zwei Samurai neben dem Fass stehen geblieben waren. Die Luft wurde ihm bereits knapp und er wünschte sehnlichst, sie würden endlich weitergehen. Doch sie rührten sich nicht vom Fleck.
Jack hatte das Gefühl, seine Lunge müsste bersten. Er kniff die Augen fest zusammen und rief sich alle Tricks des Atemtrainings in Erinnerung. Ein bewusstloser Ninja ist so gut wie tot.
Dann konnte er einfach nicht mehr. Spritzend tauchte er auf und zog sein Schwert. Die Samurai waren verschwunden.
Jack stieg aus dem Fass und nahm ein paar Schluck Wasser, um den Durst, der ihm von einem ganzen Tag in der prallen Sonne geblieben war, zu stillen. Dann lief er durch die Gassen hinter dem Marktplatz. Von Schatten zu Schatten eilend, arbeitete er sich bis zur Stadtmauer vor. Sie war mehr eine Grenze als ein wirkliches Hindernis. Jack kletterte ohne Mühe hinüber und war damit am Rand der Ebene.
Als Nächstes musste er versuchen in einem mörderischen Dauerlauf den sicheren Wald zu erreichen. Hoffentlich sah ihn niemand. Er löste sich vom Schutz der Mauer und rannte los. Er spürte die harte Erde unter den Füßen. Das hohe Gras flog an ihm vorbei.
Ein Schrei ertönte. »Da ist er!«
Im nächsten Moment sauste ein Pfeil durch die Luft. Er verfehlte ihn nur knapp. Ein zweiter Pfeil folgte. Jack wagte nicht, sich umzudrehen.
Dann hörte er das Klopfen von Pferdehufen. Zu Pferd würden ihn die Samurai auf alle Fälle einholen. Doch der dunkle Wald kam mit jedem Schritt näher. Wenn er ihn rechtzeitig erreichte, hatte er vielleicht eine Chance. Die Drachenatmung fiel ihm ein und er rannte noch schneller.
35
Falsche Anklage
Die Schreie der Samurai kamen immer näher. Jack meinte schon, den schnaubenden Atem ihrer Pferde im Nacken zu spüren. Er würde es nicht schaffen.
Mit einer letzten verzweifelten Anstrengung warf er sich nach vorn und tauchte ins Unterholz ein. Er glitt durch die Büsche, sprang über einen umgestürzten Baum und rannte quer durch den Wald. Das dichte Laub und die Dunkelheit entzogen ihn den Blicken seiner Verfolger.
Erst als er sich ganz sicher war, dass er die Samurai abgeschüttelt hatte, wurde er langsamer. Auf einer kleinen Lichtung blieb er stehen, um zu verschnaufen und sich zu orientieren. Im Wald war es stockdunkel, aber durch eine Lücke im Laub sah er den Polarstern. Er orientierte sich rasch, in welche Richtung er laufen musste.
Plötzlich wurde er von hinten gepackt und zu Boden geworfen. Jemand drückte ihm ein Messer an die Kehle.
Jack lächelte. »Miyuki.« Nie hätte er gedacht, dass er bei ihrem Anblick einmal so erleichtert sein würde.
»Wie hast du es geschafft zu fliehen?«, wollte Miyuki wissen, ohne das Messer wegzunehmen.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen«, sagte Jack. Hatte Miyuki ihn verraten? »Ich habe die Wache bewusstlos geschlagen.«
»Nur eine?«
Jack nickte. »Und zwar mit einer Technik, die du mir beigebracht has t – dem Fingernadelstoß. Vor den anderen Wachen habe ich mich versteckt.«
Miyuki ließ ihn widerstrebend
Weitere Kostenlose Bücher