Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
gepackt. Sobald Miyuki den Dachvorsprung gemeistert hatte und sicher auf dem Dach stand, bedeutete sie Jack nachzukommen.
Jack kletterte mühelos hinauf, wie er es so oft geübt hatte. Einen kurzen Moment stellte er sich vor, er hinge in der Takelage der Alexandria. Der Wind blies ihm ins Gesicht und die Wellen donnerten tief unter ihm. Miyukis Winken riss ihn aus seinen Gedanken. Was war los?
Dann hörte auch er die Stimmen. Die Patrouille kehrte zurück!
Hastig setzte er eine Hand über die andere und glitt das Seil hinauf, als hinge er an einer brennenden Zündschnur. Die Stimmen wurden lauter, die Schritte kamen näher. Er sprang auf das Dach, und Miyuki zog im letzten Moment das Seil hoch, bevor die Patrouille um die Ecke bog. Keuchend duckten sie sich in den Schatten des Dachüberhangs, während die Samurai unter ihnen vorbeimarschierten.
»Das war knapp«, flüsterte Jack.
Miyuki legte ihm die Hand auf den Mund und zeigte auf einen offenen Fensterladen weiter rechts. Jack nickte. Es war leichtsinnig gewesen zu sprechen. Sie huschten übers Dach, näherten sich dem Fenster und spähten hinein. Das dunkle Zimmer war voller Samurai.
Jack zählte etwa dreißig Männer, die auf dem Boden schliefen. Miyuki bedeutete ihm stumm, dass sie sich zwischen ihnen hindurchschleichen sollten.
»Keine gute Idee« , flüsterte Jack.
Miyuki nickte zustimmend, stieg aber trotzdem durch das Fenster. Langsam und lautlos durchquerte sie das Zimmer. Jack folgte ihr wider besseres Wissen. Er trat ganz leicht auf den Bodendielen auf und schlich auf Zehenspitzen zwischen den schlafenden Samurai hindurch. Das viele Üben im lautlosen Gehen machte sich jetzt bezahlt.
Er war in der Mitte des Zimmers angelangt, als ein loses Bodenbrett unter seinem Gewicht knarrte. Er blieb sofort wie angewurzelt stehen, Miyuki ebenfalls.
Doch die Samurai schliefen weiter. Ihr Schnarchen hatte das Geräusch übertönt.
Jack zog seinen Fuß vorsichtig zurück, umging das knarrende Brett und schloss zu Miyuki auf, die vor der Schiebetür am anderen Ende wartete. Sie zeigte aufgeregt auf den Boden.
Ein Samurai hatte sich im Schlaf umgedreht und lag jetzt auf ihrem Fuß. Miyuki konnte sich nicht rühren, wenn sie ihn nicht wecken wollte. Sie bedeutete Jack stumm, ohne sie weiterzugehen, aber Jack schüttelte den Kopf. Er wollte Miyuki nicht allein zurücklassen.
Plötzlich schnarchte der Mann laut und grunzte wie ein Schwein. Er bewegte sich wieder im Schlaf und rollte von Miyukis Fuß herunter. Hastig trat sie einen Schritt zurück.
Jack streckte die Hand nach der Tür aus, doch Miyuki fiel ihm in den Arm. Sie zog ein Fläschchen Öl aus der Tasche und benetzte mit der Flüssigkeit die Laufschienen. Lautlos glitt die Tür auf. Miyuki steckte den Kopf hindurch und überprüfte, ob die Luft rein war. Erst dann trat sie, gefolgt von Jack, auf den Gang hinaus und zog die Tür hinter ihnen beiden zu.
Diesmal ging Jack voraus. In die Wand eingelassene Laternen mit Kerzen leuchteten ihnen auf dem Weg. Sie huschten den Gang entlang und bogen nach rechts zu einer Treppe ab. Jack erkannte sie. Auf ihr war er damals von Akechis Stockwerk hinuntergebracht worden. Er wusste jetzt, wo sie waren, und konnte Miyuki zu Gemnans Zimmer führen. Sie bogen nach links in einen Gang ein.
Jack machte einen Schritt und erstarrte. Ein Vogel zwitscherte. Er stand auf einem Nachtigallenboden.
52
Gemnan
»Gemnan hat offenbar viele Feinde«, flüsterte Miyuki und betrachtete den Gang vor ihnen.
Jack zog seinen Fuß zurück und schüttelte verärgert den Kopf. Erst jetzt kehrte die Erinnerung wieder. Singende Vögel. Er war damals bei seiner Gefangennahme so mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er geglaubt hatte, das Zwitschern käme von draußen.
»Unmöglich«, sagte er.
»Für einen Samurai ja, aber nicht für einen Ninja.«
Miyuki trat mit den Zehen ganz leicht auf die erste Diele.
Stille.
Sie betrat die nächste Diele. Ihre Füße schienen über dem Boden zu schweben.
»Folge meinen Schritten.«
»Aber Soke sagte, bis jetzt hätte das nur ein einziger Mann geschafft.«
»Ich bin kein Mann«, erwiderte Miyuki schroff.
Jack gehorchte ihr stumm. Zwar beherrschte auch er die Technik der schwebenden Füße inzwischen auf Reispapier, aber wie man einen Nachtigallenboden überquerte, hatte er nicht gelernt. Er musste Miyuki alles genau nachmachen. Ein einziger Fehle r – ein Riss im Reispapie r – und sie flogen auf.
Schweiß trat ihm auf die Oberlippe,
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