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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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hatte er unter diesen alten Männern verloren? War er vielleicht der Sohn eines Scherers? Der von Rogelio? Oder von Luis? In diesem Moment blickte er zum Haus, auf das Fenster, an dem sie stand. Sie sahen einander an, und schließlich war sie es, die sich abwandte.
    Als sie am Abend das Essen servierte, setzte er sich in dem Augenblick, in dem sie den Raum betrat, aufrecht hin, als hätte ihre bloße Anwesenheit einen Schalter in ihm betätigt. Die anderen Scherer unterbrachen ihre Unterhaltung und senkten den Blick respektvoll auf ihre Teller, doch er verfolgte jede ihrer Bewegungen. Ihr Stiefvater redete wie üblich mit Adolph und Jimmie und machte die üblichen Bemerkungen über die Herde und das Wetter und das Terpentin, in das sie die Nasen der Schafe tauchen würden, und den Wal, den er am Nachmittag nicht weit von Prince Island gesehen hatte, und dabei erhob er die Stimme, damit das Wesentliche des Gesagten auch ans untere Ende des Tischs drang und die Scherer sich in die Unterhaltung einbezogen fühlten. Die Aussicht auf eine weitere ertragreiche Schur machte ihn heiter und leutselig, und während die Scherer – und Jimmie – verdünnten Wein tranken, war sein eigener Zinnbecher mit Whiskey gefüllt. Und, nach dem stieren Blick zu urteilen, der von Adolph ebenfalls.
    Sie stellte zwei große Platten mit Lammbraten auf jedes Tischende und ging dann in die Küche, um den Topf Bohnen, die Tortillas und die scharfe Sauce zu holen, die sie mit Jimmies Hilfe aus gehackten Tomaten, geschmolzenem Lammfett und den getrockneten Habañeroschoten der Scherer gekocht hatte. Sie wendete gerade die Tortillas auf der Herdplatte, als sich die Küchentür öffnete und der Neue eintrat, als hätte er schon sein ganzes Leben hier verbracht. Er hieß Rafael, er war sechsundzwanzig Jahre alt und Spanier (nicht Mexikaner, wie er vor dem Essen betont hatte), als er ihr kurz auf der Veranda vorgestellt worden war, er hatte glasgrüne Augen, und die parfümierte Pomade, mit der er sein langes schwarzes Haar zurückkämmte, konnte sie vom anderen Ende der Küche riechen.
    »Ich habe gedacht, vielleicht kann ich Ihnen was abnehmen«, sagte er, und er war der erste Mann, der ihr je seine Hilfe angeboten hatte – ausgenommen Jimmie, und Jimmie zählte nicht. Auf einer Ranch arbeiteten Männer im Dreck und Frauen in der Küche, und ihre Wege kreuzten sich nie. Auf einer Ranch gab es keine Damen und Herren – es war ein Leben auf dem Niveau verkleideter Affen, die kürzlich erst von den Bäumen gestiegen waren. Wer sich über Poesie oder Dramen oder Musik unterhalten wollte, wer erwartete, dass ein Mann einem die Tür aufhielt oder aufstand, wenn man den Raum betrat, sollte besser sterben und in einem neuen Leben wiedergeboren werden.
    Sie war verblüfft und wusste nicht, was sie sagen sollte, doch er hatte bereits zwei Geschirrtücher gefunden, mit denen er die Griffe des Gusseisentopfs voll Bohnen anfassen konnte, und schon hatte er ihn vom Herd gehoben und ging damit rückwärts zur Tür hinaus und durch den Flur in das große Zimmer, wo man ihn mit spöttischen Rufen begrüßte. Mujer! rief einer, Picaro! ein anderer. Sie legte die letzten Tortillas auf einen Teller, nahm die Schüssel mit der scharfen Sauce und folgte ihm durch den Flur, stellte den Teller aber nicht vor ihrem Stiefvater oder in der Mitte des Tischs, sondern, als Zeichen ihrer Gunst, vor Rafael ab. »Oho«, sagte Luis, »seht ihr?«, und alle lachten außer Jimmie, der die Lippen aufeinanderpresste und ihr düstere Blicke zuwarf.
    Machte ihr das etwas aus? Nicht im geringsten. Jimmie hatte seine Chance gehabt.
    Seit Monaten bat sie ihn, ihr bei der Flucht von der Insel zu helfen, und er hatte unbestimmte Versprechungen gemacht, mit diesem oder jenem Fischer zu sprechen, der in der Bucht vor Anker ging, aber es war nichts dabei herausgekommen. Als sie davon angefangen hatte – sie waren allein, an ihrem geheimen Ort, und sie hatte sich von ihm auf den Mund küssen und ihn, das Riesenbaby, endlos lange an ihrer Brustwarze saugen lassen –, hatte er sie lange mit einem Blick angesehen, den sie zuerst nicht ganz zu deuten wusste. »Bitte«, flüsterte sie, legte die Hand auf seinen Bauch und strich über den Hosenschlitz. »Bitte, bitte.«
    »Dem Captain würde das nicht gefallen«, sagte er nach einer Weile.
    »Nein«, sagte sie, »ich weiß. Aber tu es für mich. Bitte.«
    Er wandte den Blick ab, doch seine Hüften bewegten sich im Rhythmus ihrer Hand. »Ich könnte

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