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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Jahre«, unterbrach ihn Herbie. »Und Bob Brooks’ Pachtvertrag läuft seit 1917 . Ist das lang genug?«
    »– aber Sie wissen sicher, dass das Land erheblich überweidet ist, was zu einer deutlichen Verschlechterung der Bodenqualität geführt hat. Wenn es so weitergeht, wird die ganze Insel bald eine Wüste sein. Wir führen also eine Untersuchung in Hinblick auf eine mögliche Wiederaufforstung der Insel durch, unter besonderer Berücksichtigung einer substantiellen Reduzierung der Beweidung, denn das ist bei einem Wiederherstellungsprogramm immer der erste Schritt, und – «
    »Und ich sage Ihnen, das dürfen Sie nicht. Es gibt einen gültigen Pachtvertrag.«
    Ein Lachen, eine lässige Handbewegung. »Oh, das wissen wir, natürlich wissen wir das, und ich will auch gar nicht sagen, dass sich daran in nächster Zeit viel ändern wird – «
    Jetzt schaltete sich der andere ein: »Aber wir müssen Ihnen mitteilen – ich kann Ihnen die amtliche Bestätigung zeigen –, dass die Verwaltung der Insel San Miguel jetzt in den Händen der Navy liegt, aus strategischen Gründen, Sie verstehen schon, solange die Bedrohung im pazifischen Raum fortbesteht. Und dass unser Ziel die langfristige Verbesserung der hiesigen Ressourcen ist.«
    »Und das heißt, dass Sie die Schafe loswerden wollen, stimmt’s?« Ein Muskel unter Herbies Auge begann zu zucken. Er ballte die Fäuste. »Obwohl seit hundertsechzig Jahren Schafe hier weiden – ach was: seit die Spanier hierhergekommen sind.«
    Sie sagte seinen Namen – zwei Silben, Betonung auf der ersten –, um ihn zurückzuhalten und ihn zu warnen: »Herbie.« Und dann: »Ce n’est pas le moment.«
    Er ignorierte sie. »Das nächstemal bringen Sie lieber Ihre Anwälte mit, am besten gleich ein ganzes Rudel.« Er hielt inne. »Oder sind Sie etwa Anwälte, hm?«
    »Nein, wir sind keine Anwälte«, sagte Ayers ruhig. »Wir verwalten öffentliches Land.«
    Herbie ließ ihn nicht weitersprechen. »Ist mir egal, was Sie machen. Reden Sie mit Bob Brooks. Er ist Millionär, wussten Sie das? Er hat Geld. Er wird das durchkämpfen bis in die letzte Instanz.«
    Beide Männer traten einen Schritt zurück. Keiner von ihnen lächelte. »Ich will nur noch mal betonen«, sagte Ayers und schob den Kaugummi von einer Seite auf die andere, »dass das alles noch im Erörterungsstadium ist. Es hängt von der Navy ab. Und Sie kennen ja die Navy ...«
    »Nein, die kenne ich nicht«, sagte Herbie und bemühte sich um Beherrschung. »Ich war bei der Army. Machen Sie Ihre Untersuchungen – ich kann Sie ja sowieso nicht daran hindern. Aber Sie werden von mir hören und von Bob Brooks ebenfalls, darauf können Sie sich verlassen.« Er wandte sich ab, als wollte er das Tor verschließen, fuhr aber noch einmal herum und sagte: »Und kommen Sie mir hier nicht in die Quere, verstanden?«
    Beim Abendessen sagte Herbie kaum ein Wort. Es war, als hätte ihn in dem Moment, als die beiden sich umgedreht und auf den Weg zur Bucht gemacht hatten, aller Kampfgeist verlassen. Er rührte sein Essen nicht an. Und obwohl sie sich bemühte, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, und die Mädchen ihn immer wieder ansprachen, starrte er nur an die Wand, als könnte er durch sie hindurch etwas sehen, von dem die anderen allenfalls eine ungefähre Vorstellung hatten. Als die Mädchen fertig waren und ihre Teller in die Spülschüssel gelegt hatten, ging sie mit ihnen ins Wohnzimmer, um ihnen ihre Gutenachtgeschichte vorzulesen. Keine von beiden fragte nach den Fremden, die am Tor gewesen waren, oder warum ihr Vater in der Küche vor einem vollen Teller saß und an die Wand starrte. An diesem Abend las sie länger als sonst – »Rikki-tikki-tavi«, ihre Lieblingsgeschichte aus Kiplings Dschungelbuch –, als könnten der Zauber sprechender Tiere und die Fremdheit Indiens sie vor dem schützen, was in ihrem eigenen Haus geschah. Als sie die Mädchen schließlich zu Bett brachte und Betsy fragte, ob ihr Vater denn nicht kommen und ihnen einen Gutenachtkuss geben wolle, sagte sie, er fühle sich nicht wohl.
    »Hat er Schnupfen?« fragte Marianne.
    »Nein«, sagte sie, »er hat keinen Schnupfen. Er ist bloß ein bisschen niedergedrückt, das ist alles. Ihr wisst ja, dass euer Daddy manchmal niedergedrückt ist – ich auch. Eigentlich jeder.«
    Es war spät, als er ins Schlafzimmer kam und sich wortlos bis auf die Unterwäsche auszog, während sie, ein Kissen im Rücken, im Bett lag und las. All seine Bewegungen – wie er

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