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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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den Mann hinter sich. »Grüßen Sie bitte Mrs. Sanders von mir«, sagte sie mit ihrer süßesten Stimme und ging zur Tür.
    Sie hatte das Abendessen und das Frühstück über sich ergehen lassen, und dazwischen hatte sie die halbe Nacht wach gelegen und mit sich gekämpft. Sosehr eine Flucht im Dunkel der Nacht ihrem Sinn für Dramatik auch entgegenkam – ein leeres Bett hätte sie sogleich verraten, und das konnte sie nicht riskieren. Also zog sie sich an und ging zum Frühstück hinunter. Im Salon war es still, der Kater war nirgends zu sehen. Auf dem Esstisch stand eine Vase mit Blumen, doch sie waren verwelkt und erinnerten sie nur an ihre Mutter. Ihr Stiefvater saß bereits am Kopfende, vor sich einen fettverschmierten Teller mit einem halb abgenagten Knochen. Er schien uninteressiert und gelangweilt und sah kaum von seiner Zeitung auf. Seine große, schwielige Hand hielt unbeholfen den dünnen Henkel der Teetasse. Erst als Adolph eintrat, hellte sein Gesicht sich auf. Er schob den Stuhl zurück, zündete eine Zigarre an und rief nach mehr Kaffee.
    Und die ganze Zeit stand ihr Koffer fertiggepackt hinten im Wandschrank – sie dachte daran, bis es kein Koffer mehr war, sondern ein Paar Flügel, Engelsschwingen, auf denen sie aus diesem Haus und diesem Leben davonfliegen würde. Vor Aufregung brachte sie nur ein paar Bissen Toast und etwas Rührei mit Ketchup herunter, und in den Tee löffelte sie Zucker, bis er wie Parfait schmeckte, doch niemand bemerkte es oder wies sie zurecht. Sie zwang sich, Adolph einen guten Morgen zu wünschen, und machte sogar eine Bemerkung über das Wetter, aber er grunzte bloß und setzte sich neben ihren Stiefvater. Ida kam herein, stellte eine Kanne frischen Kaffee auf den Tisch und ging wieder hinaus, und sobald die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, begannen die beiden ein Gespräch über das einzige Thema, das sie zu interessieren schien: Schafe. Oder vielmehr: Schafe und die Insel und die zahllosen Vorbereitungen für die Rückkehr dorthin. Adolph sagte, es sei eine Schande, wie der Engländer die Ranch vor die Hunde gehen lasse, und ihr Stiefvater nickte nur und ließ sich zum zehntenmal darüber aus, dass es nun, da die arme Marantha gestorben sei, keinen vernünftigen Grund mehr gebe, zwei Haushalte aufrechtzuerhalten. Als Edith ihren Teller nahm und ihn in die Küche brachte, sahen sie kaum auf.
    Danach war es leicht. Sie hatte niemandem, nicht einmal Ida, gesagt, was sie vorhatte, und schlich sich unbemerkt aus dem Haus. Ihr einziger Gedanke war: Wenn es ihr irgendwie gelang, ihr Zimmer in der Schule zu erreichen, würde ihr Stiefvater nachgeben – er würde nachgeben müssen. Entweder das oder er würde kommen müssen, um sie zu holen. Natürlich war die Frage des Schulgelds und der übrigen Kosten zu klären, da machte sie sich nichts vor, aber sobald Miss Everton sie mit den anderen Mädchen im Unterricht, im Speisesaal oder am Klavier sah – sobald sie sah, wie sehr sie dorthin gehörte –, würde sie zu ihren Gunsten intervenieren, dessen war Edith sich sicher. Und ihr Stiefvater würde bezahlen müssen. Er würde sich nicht weigern können, das wäre einfach zu peinlich.
    Das alles dachte sie, als sie mit raschen Schritten hinunter zur Pier ging, in der einen Hand den Sonnenschirm, in der anderen den Koffer, und viel weiter in die Zukunft wollte sie gar nicht denken. Ihre Füße steckten in ihren besten, enggeknöpften Stiefeletten und brannten, doch sie achtete nicht darauf. Sie war entschlossen, einen Fahrschein zu kaufen, bevor die Masten und der Schornstein der Santa Rosa , unterwegs von Los Angeles nach San Francisco, am südlichen Horizont auftauchte, und dann in der Menge unterzutauchen, bis das Schiff wieder abgelegt hatte und sie frei atmen konnte, denn sie konnte ja nicht wissen, wann ihr Stiefvater ihre Abwesenheit bemerken würde. Sie beeilte sich und ließ den Blick über die glitzernde Fläche des Meeres gleiten, die sich vom Ende der Straße bis hinüber zu den Kanalinseln erstreckte. Die größte von ihnen, Santa Cruz, war am Horizont deutlich zu erkennen, und am Himmel war keine Wolke zu sehen. Was bedeutete, dass das Meer ruhig sein würde – oder jedenfalls ruhiger als auf dem Herweg. Wenigstens hoffte sie das.
    Sie trat in den Wartesaal. Die Bänke waren besetzt, überall lagen Gepäckstücke herum, und alle glotzten sie an, als hätten sie noch nie ein Mädchen gesehen, das ohne Begleitung zu seiner Schule zurückkehrte. Sie stellte

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