Sanctum
macht die Aura, die Euch umgibt«, meinte der Kardinal zu Gregoria. »Ich kann sie förmlich sehen, liebe Äbtissin. Ihr seid vom Heiligen Geist berührt, und das nicht erst, seitdem Ihr das Sanctum empfangen habt. Ihr seid eine besondere Frau. Meine Jeanne d’Arc.«
»Sie wurde als Ketzerin verbrannt, Eminenz.«
»Ehe man sie Jahre danach für unschuldig befand«, warf er ein, und ein leises Lachen erklang hinter der Maske. »Durchs Feuer seid Ihr schon gegangen, Äbtissin. Was soll Euch also noch geschehen?« Er winkte auffordernd. »Sprecht: Wann können wir die Novizinnen zu Schwestern machen und sie in die Welt senden?«
Gregoria tat einen lauten Atemzug und verneigte sich. »Ich bitte Euch um Geduld, Eminenz. Eine gute Ausbildung ist die eine Seite der Münze, mit der wir das Ende der Jesuiten erkaufen wollen – die andere ist das Charisma und das Geschick, das unsere Schwestern auszeichnen muss. So etwas kann man nur ernten, wenn man sorgfältig gesät und die zarten Triebe danach mit Ruhe und Aufmerksamkeit gezogen hat. Bedenkt außerdem: Sie müssen in ihrem Glauben und Vertrauen in Gott von Grund auf gestärkt sein, bevor wir sie an die Höfe senden, wo die Sünde herrscht. Hat ihr Verstand nicht erst die Bastion des Glaubens um sich errichtet, können sie dem Laster leicht zum Opfer fallen. Bedenkt, was sie zu sehen bekommen werden: Gold, Reichtum in Hülle und Fülle, Ausschweifungen jeglicher Art. Und sie sind noch jung. Das Gold könnte sie blenden.«
»Da habt Ihr Recht, Äbtissin.« Impegno schaute zu Lentolo. »Was sagen die Lehrer?«
»Bis zum Frühling des Jahres wären sie so weit, jedenfalls was die Fremdsprachen und die Etikette angeht.« Er sah zu Gregoria. »Was die besonderen Fähigkeiten angeht, nun, dazu vermag ich wenig zu sagen … Doch vielleicht steckt hinter diesem Wunsch vielmehr eine Sorge? Sagt mir, Äbtissin: Seid Ihr wirklich in der Lage, sie im Geiste zu festigen?«
Es war das erste Mal, dass einer ihrer neuen Verbündeten Zweifel an ihren Fähigkeiten äußerte, und das beruhigte Gregoria weit mehr, als dass es sie beleidigt hätte. Es war gut, dass sie nun wusste, dass man sie nicht nur als die vom Himmel geschickte Heilsbringerin sah, obwohl man ihr dies wieder und wieder einzureden versuchte. »Ich bin jeder Aufgabe gewachsen, die ich annehme, Eminenz, doch bedenkt, aus welchen Umständen die Mädchen stammen. Sie sind alle in ihren Herzen gut, aber das Böse, das manche berührte, muss zunächst getilgt werden.«
»Das kann man beschleunigen.« Impegno griff in eine Tasche seines Gewands, und in seinen von weißen Handschuhen umgebenen Fingern hielt er ein kleines, dickwandiges Fläschchen. »Sanctum, Äbtissin. Beinahe alle Vorräte, die ich auftreiben konnte. Und das war nicht einfach, denn Francescos Leute sind unablässig auf der Suche danach. Der Teufel muss ihnen dabei zur Seite stehen, denn sie sind vielerorts vor uns zur Stelle und erlangen Reliquien, die mit dem Heiland in Berührung gekommen sind.« Er reichte es ihr. »Gebt es den Novizinnen, Äbtissin.« Er hob die Hand. »Von nun an seid Ihr wirklich die Oberin der Schwesternschaft vom Blute Christi.« Er stand auf, und sie sank vom Stuhl auf die Knie. Seine Hand legte sich auf ihren Kopf. »Ich segne Euch, Gregoria. Es behüte und beschütze Euch der lebendige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.« Er trat zurück und setzte sich wieder. Lentolo lächelte sie bestärkend an.
»Amen.« Gregoria durchströmten viele Gefühle: Ergriffenheit, Stolz aufgrund des Vertrauens, das ihr entgegengebracht wurde, Demut, dass Gott sie auserwählt hatte. Überzeugung und Zuversicht, ihre Aufgabe zu erfüllen. Erfurcht und ungeheure Kraft. Sie fühlte sich wie eine Herrscherin, das geheiligte Sanctum in der Hand, die mächtigste Substanz, die es auf Erden gab.
»Tut alles, damit die Mädchen bis zum Frühsommer bereit sind«, schärfte Impegno ihr noch einmal ein, wobei er sich gleichzeitig ihren Wünschen um mehr Zeit beugte, wie sie sehr wohl bemerkte. »Denn mit ihrer Vorarbeit steht und fällt unsere Planung.«
Sie erhob sich und setzte sich an ihren Platz. »Planung, Eminenz?«
Lentolo übernahm die weiteren Erläuterungen. »Die Jesuiten ahnen, dass wir an verschiedenen Fronten in Stellung gehen, und sind äußerst argwöhnisch geworden. Ihr General, Lorenzo Ricci, hat neue Spitzel angeworben, die wie Ratten in den Ecken des Vatikans sitzen und lauschen.« Er setzte ein überlegenes Lächeln auf.
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