Sanctum
Aufgaben bewältigen, sandte sie auf einer Art Hatz quer durch die Stadt, um zu schauen, wie viel Überblick und Ausdauer sie besaßen. Mal ging es um Schnelligkeit, mal darum, nicht von der Seraph, die sie verfolgte, gesehen zu werden.
Nach der Überwindung der ersten Unsicherheit – manche hatten sich sogar ein wenig vor dem gefürchtet, was auf sie zukam – fügten sich die Novizinnen ein. Sie schworen Gott die Treue, der sie aus dem alten Leben befreite, lobten und priesen ihn. Sie lernten mit Eifer, Lentolos Lehrer kamen kaum mit dem Unterricht nach. Den jungen Mädchen gefielen die Aufgaben, deren Sinn sie noch nicht zur Gänze verstanden. Gregoria beabsichtigte, sie erst zu einem späteren Zeitpunkt tiefer in die Ziele des Ordens einzuführen.
Was die körperliche Konstitution anging, hatten sich erst zwei von ihnen als geeignet hervorgetan. Gregoria betrachtete die schnaufenden Novizinnen, auf deren einfachen Kleidern sich trotz der Kälte große Schweißflecken gebildet hatten. Sie dampften, die Hitze verwandelte sich im Freien in feine weiße Wölkchen. Sarai kannte kein Erbarmen.
Gregoria schaute auf die kleinste der Seraphim. Sie hätte niemals vermutet, dass in der jungen Frau mit den schönen schwarzen Haaren, den blauen Augen und den Sommersprossen auf der Nase der größte Kampfgeist schlummerte. Vielleicht lag es an dem traumatischen Erlebnis mit Bathseba, das in ihr eine Stärke hervorgebracht hatte, mit der sie alle anderen anspornte und beflügelte.
Schwindel befiel Gregoria, sie musste sich rasch in den Sessel setzen. Das Kind in ihr wehrte sich auf diese Weise gegen die einschnürende Bauchbinde, die sie trug.
Ich werde bald aus Rom fort müssen, erkannte sie. Die Zeit der Entbindung lag nicht mehr weit entfernt, und es konnte sogar geschehen, dass das Kind beschloss, bereits jetzt auf die Welt zu kommen. Sie spürte oft ein Stechen im Unterleib. Und trotzdem bereute sie jene eine Nacht nicht.
Sie hatte seitdem oft von diesem Moment geträumt, jede Einzelheit erneut erlebt … und sich weitere solcher Erlebnisse mit Jean gewünscht. Aber sie durfte nicht. Ihr gemeinsames Kind würde sie für die Entbehrungen entschädigen, und vielleicht, wenn viele Jahre verstrichen waren, konnte sie Jean gestehen, woher das Kind in Wirklichkeit stammte. Gregoria fürchtete nur, dass es entweder ihr oder ihm so sehr ähnelte, dass es für Außenstehende wie die zukünftigen Schwestern oder Lentolo schon lange vorher keinerlei Zweifel gab, wessen Frucht im Haus herumsprang.
Es klopfte an ihrer Tür. Als Gregoria zum Eintreten aufforderte, schob sich zu ihrer großen Überraschung – und als habe er ihre Gedanken erahnt – Lentolo in ihr Gemach; Schmutz haftete an seiner linken Mantelschulter und der Ledertasche, die er bei sich trug.
»Erschreckt nicht, Äbtissin«, beruhigte er sie, sah sich um und winkte nach hinten. Gleich darauf traten der maskierte Kardinal und zwei Wachen ein, Tücher vor den Gesichtern. »Wir haben den Gang genommen, um ungesehen zu Euch zu gelangen. Wir müssen mit Euch reden.«
Gregoria erhob sich, kniete vor Impegno nieder und küsste den Ring an seinem Handschuh. »Ist etwas geschehen, Eminenz?«, fragte sie beunruhigt und bot ihm ihren Platz im Sessel an. Sie wurde nervös, weil sie sich angesichts der beiden Männer schwangerer und dicker als jemals zuvor in den vergangenen Wochen vorkam. Sie durften unter keinen Umständen etwas bemerken! Sie setzte sich auf einen Stuhl und beugte sich leicht nach vorn, um die Wölbung zu verbergen.
»Gott ist wütend auf Rom und straft es mit eisigen Temperaturen. Es würde mich nicht wundern, wenn es noch schneite. Und das tut es äußerst selten hier«, sagte Impegno und wartete, bis Lentolo die Vorhänge zugezogen hatte, dann nahm er Platz. »Ich bin aus zwei Gründen hier. Zum einen möchte ich von Euch hören, welche Fortschritte Ihr macht.«
Gregoria zwang sich zur Ruhe. Sie hatte nicht das Gefühl, dass die grünen Augen hinter der Maske besonders argwöhnisch blickten. »Sehr gern, Eminenz. Wir haben inzwischen vierzig Mädchen, von denen wir zwei als fähig betrachten, zu Seraphim zu werden. Alle anderen sind geistig sehr aufgeweckt, wenn auch körperlich nicht in allerbester Verfassung.«
»Die Lehrer, die ich sandte, bestätigten mir, dass die jungen Frauen schneller lernen als alle Schüler, die sie unterrichtet haben«, bekräftigte Lentolo. »Die Fortschritte in den Fremdsprachen seien beinahe beängstigend.«
»Das
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