Sanctum
damit alle umbringe?«
»Hat er dich vor Nebenwirkungen gewarnt?«
»Nein. Er sagte, es sei Sanctum, das Blut des Herrn. Wie das in der Phiole, das vorher Francesco gehört hat.«
»Anscheinend hat der Kardinal noch nicht so viele Erfahrungen damit gemacht.« Er dachte nach. »Es wäre möglich, dass es unterschiedliche … Wirkungsgrade gibt.«
»Verschieden starke Dosierungen?«
Er nickte. »Wurde es verdünnt? Wir wissen nicht, wie sie es gewinnen. Wenn es seit Jahrhunderten an einem Stofffetzen oder an der … was weiß ich … Dornenkrone klebte, wie bekommen sie es wieder flüssig und machen daraus diese zähe Substanz?« Er lehnte sich nach vorn und hielt die Hände über die Flammen. »Ich würde den Gegenstand mit heißem Wasser übergießen und so das Blut lösen, das Wasser wiederum so lange köcheln lassen, bis es sich reduziert hat. Je länger eine Essenz kocht«, er zeigte auf den Flakon, »desto intensiver wird sie. Wenn das für das Blut ebenso gilt, könnte bei jedem Durchgang eine unterschiedliche Konzentration entstehen.«
Es klang logisch, was er sagte. Dennoch weigerte sich Gregorias Verstand, an diese profane und gänzlich unmystische Lösung zu glauben. Sie wollte lieber glauben, dass die Reliquien mit Weihwasser gewaschen wurden und sich das Blut anschließend von selbst verflüssigte. Man müsste es danach einfach nur mit einem Trichter sammeln und auffangen. »Wir werden es niemals mit Sicherheit wissen … und vielleicht ist das auch gut so.« Sie sprach ihre Gedanken nicht laut aus, weil sie fürchtete, von Jean ausgelacht zu werden. Er glaubte nicht so stark wie sie. »Was tun wir als Nächstes?«, lenkte sie ab.
»Ich verhöre die beiden Rumänen«, antwortete er. In aller Eile berichtete er von den bisher gewonnenen Erkenntnissen. »Vielleicht bekomme ich einen Hinweis auf den Verbleib des Comtes. Sie haben ihn schon einmal vor uns aufgespürt. Entweder hatten sie mehr Glück oder sie wissen mehr von ihm, als wir ahnen.«
»Was macht dich so sicher, dass der Comte Rom nicht verlassen wird?«
»Er denkt, dass Roscolio noch lebt, und solange er das annimmt, wird er bleiben und ihn suchen, um ihn zu töten. Auf Menorca hat er es nicht geschafft. Diese erneute Blöße wird er sich nicht mehr geben wollen, schon allein zum Schutz seines eigenen Lebens.« Jean stand auf. »Ich werde ins Bett gehen. Es war ein anstrengender Tag und mein Kopf schmerzt.« Er lächelte sie an, wandte sich um und ging die Treppe hinauf. »Morgen begraben wir Roscolio.«
»Möge er in Frieden ruhen.«
Gregoria sah Jean nach. Sie hatte das Gefühl, dass er sich seit ihrem Geständnis von ihr entfernte, unmerklich, doch stetig. Dass sie Roscolio zunächst allein gesprochen hatte, machte es nicht besser. Bei seinem Eintreten ins Arbeitszimmer hatte sie in den braunen Augen stumme Vorwürfe gesehen, die ihr einen weiteren Vertrauensbruch vorwarfen.
Ein neuerliches Ziehen fuhr durch ihren Unterleib, und sie legte ihre Linke beruhigend auf den Bauch. Die Gefahr, den Beweis ihrer Unkeuschheit vor aller Augen zu erbringen, wuchs mit jedem Tag. Nach der Beerdigung musste sie Rom verlassen. Das Kind in ihr wurde unruhiger.
XVII.
KAPITEL
Italien, Rom, 30. November 2004, 06.33 Uhr
Schwester Walburga trat in das Zimmer von Faustitia. »Herr von Kastell steht vor dem verborgenen Eingang, ehrwürdige Äbtissin. Er verlangt, sofort zu Euch gebracht zu werden.«
Faustitia hob den Kopf. »Allein?«
»Ja.«
»Wie ist er in den Gang gelangt?«
Walburga faltete die Hände. »Er hat die Türen im Haus aufgebrochen, zuerst die in der Straße, danach die im Hinterhof. Jetzt steht er vor der Stahltür, er hat die Kamera entdeckt und einen Zettel geschrieben, auf dem steht, dass er Euch sprechen möchte.«
Faustitia hatte sich nicht bewegt. »Neues von ihr?«
»Nein, Äbtissin. Sie ist nicht zu erreichen.«
Faustitia schlug das Kreuz und stand auf. »Ich bitte unseren Herrn und alle Heiligen, sie zu beschützen. Lass von Kastell in den Raum bringen.« Sie eilte hinaus, folgte den verschlungenen Gängen durch das ehrwürdige Gebäude, das versteckt in Monti lag, und begab sich in das sichere Zimmer, in dem sie die Verdächtigen prüften, die der Bestie anheim gefallen waren. Bevor sie eintrat, warf sie einen Blick auf den Überwachungsmonitor auf ihrer Seite der Tür.
Der Bildschirm zeigte ihr einen Mann im Mittelpunkt des Raumes, und obwohl dieser groß war, wirkte der Mann nicht klein und verloren. Er bildete das
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