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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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der Säulen auf, die in Viererreihen um den elliptischen Platz standen. Er prüfte den Sitz des Silberdolchs in der Unterarmscheide. Aus seinem Versteck hatte er die bewährte SigSauer P9 geholt, die er unauffällig in einem Achselholster trug.
    Noch neunundzwanzig Minuten bis zum Treffen mit dem Orden.
    Eric war ungeduldig. Am liebsten hätte er das Treffen gleich hinter sich gebracht, um Lena sehen zu können. Aber was, wenn die Schwesternschaft Lena gar nicht mitbrachte? Wenn sie ihr etwas angetan hatten? Dann würde der Vatikan erleben, was ein Mann alles anzurichten vermochte.
    Siebenundzwanzig Minuten.
    Die Touristen und Pilger, die den Platz vor dem Petersdom sonst auch um diese späte Stunde noch bevölkerten, waren schon lange nach Hause gegangen. Der sich ankündigende Winter scheuchte die Menschen in ihre Hotels und Wohnungen und ließ auf dem Platz tatsächlich ein Gefühl von Ruhe einkehren. Vielleicht nicht unbedingt der Gottesnähe, die man hier eigentlich erwarten sollte, aber doch zumindest so etwas wie Frieden. Nur die Reinigungskräfte störten das Bild ein wenig. Sie fegten gelangweilt von rechts nach links. Vermutlich wurden sie nach Stunden und nicht nach der Müllmenge bezahlt, die sie aufklaubten.
    Fünfundzwanzig Minuten.
    Eric lauschte, ob sich sein Handy aus dem Inneren des Mantels meldete, aber es blieb still. »Mann, Mann, Mann«, murmelte er angespannt und lief wie ein Raubtier zwischen den Säulen auf und ab. Seine Sinne waren bis zum Anschlag hochgefahren. Trotzdem witterte er nichts.
    Ein greller, grausamer Ton fuhr durch sein Trommelfell und schien es in Fetzen zu reißen.
    Instinktiv riss er die Arme nach oben, presste sich die Handflächen gegen die Ohren und dämpfte das Kreischen, das für ihn wie eine monströs verstärkte, hochtourige Kreissäge klang. Abrupt endete es –
    – nur um sich gleich darauf wieder durch seinen Kopf zu fräsen. Dieses Mal befand sich die Quelle noch näher bei ihm, war lauter und kaum zu dämpfen. Gepeinigt fuhr Eric herum – und sah sie.
    Justine trug einen Kopfhörer, stand zehn Meter von ihm entfernt und absichtlich so, dass der Wind ihren Geruch von ihm weg wehte. Sie trug einen gelben Daunensteppmantel mit einem Schnitt, der modisch sein sollte, und rote Moonboots. Zwischen ihren geschminkten Lippen klemmte ein silbriger Gegenstand, und sie blies wieder mit vollen Backen hinein, während sie sich ihm näherte. Sie besaß ein sehr großes Lungenvolumen.
    Dann blieb sie vor ihm stehen und nahm die Hundepfeife aus dem Mund. »Bonjour, mon frère.« Sie grinste. »Bienvenue à Rome.« Sie zog den Kopfhörer ab und strich sich mit aufreizender Gelassenheit durch die nackenlangen, blonden Haare.
    Eric hatte das dringende Bedürfnis, ihr die Hundepfeife in den Hals zu schlagen. Er nahm die Hände von den Ohren und übersah die ausgestreckte Hand seiner Halbschwester. »Du bist ein Miststück.«
    »Erzähl mir etwas Neues«, sagte sie und bedachte ihn mit einem spöttischen Ausdruck in den braunen Augen, die so sehr denen seines Vaters ähnelten. Er sah auf seine Uhr. Es blieben einundzwanzig Minuten. Einundzwanzig unerträgliche Minuten. »Was willst du?«
    »Ich habe dich leiden sehen und dachte mir, ich leiste dir Gesellschaft, bis es dreiundzwanzig Uhr ist.« Justine wandte sich zur Seite und betrachtete die Kuppel des Petersdoms. »Schau dir diese Pracht an, Eric. Gebäude wie diese, wuchtig, herrlich und mit einer Seele, werden heute nicht mehr gebaut.«
    »Wo ist Lena?«
    »Das weiß nur der Orden, nicht ich.«
    »Und was willst du dann hier?«
    »Lass dich überraschen, Eric.« Sie hob die Hand und winkte zweimal.
    »Was war das?«
    »Ein Zeichen, dass es mir gut geht und von dir keine Gefahr droht.« Justine zeigte auf seine rechte Achsel. »Die Waffe wirst du nicht mitnehmen können, ebenso wenig deinen Dolch.« Sie griff in ihre Manteltasche, nahm eine Tasche heraus und öffnete sie. »Gib mir deine Waffen, Eric. Alle. Wir finden sie später bei der Kontrolle sowieso.«
    »Dann«, gab er knurrend zurück, »behalte ich sie bis zur Kontrolle.« Er schaute über die vielen Fenster der Gebäude rund um den Dom. Irgendwo dort, in einem der Zimmer, saß Justines Verbindungsmann und beobachtete sie. »Wenn ich dich niederschlage, ziehen sie dann das Treffen vor?«
    »Wenn du dich irgendwie schnell bewegen solltest, solange ich in deiner Nähe bin, wirst du deinen Kopf verlieren. Ein Dutzend Silberkugeln, mitten durch den Schädel. Das würdest

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