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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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selbst du nicht überleben.«
    »Wenigstens müsste ich dein Geschwätz nicht mehr ertragen.« Eric verspürte für wenige Augenblicke nicht übel Lust, die Worte seiner Halbschwester auf die Probe zu stellen. Was natürlich auch gewaltig schief gehen konnte. Stattdessen nahm er seine Brille ab und putzte sie an seinem Pullover. Eine klassische Übersprungshandlung.
    Sie schwiegen sich an. Die Zeit verging quälend langsam. »Du wolltest aber nicht etwa damit andeuten, dass du zu dem Orden gehörst?«, fragte Eric schließlich.
    »Sehe ich aus wie eine Heilige, mon frère?« Sie fummelte sich eine Zigarette in den Mund und steckte sie an, blauer Qualm stieg in den Himmel. »Nein, die Hölle ist mir lieber. Da ist es wenigstens schön warm.«
    Acht Minuten.
    »Gehen wir«, sagte Justine, ging quer über den Platz und hielt auf die linke Seite der Kolonnadenkränze zu.
    Eric steckte die Hände in die Manteltaschen und ließ den Blick noch einmal über den Platz, dann über die Fensterfronten schweifen. Für ihn sahen sie wie unzählige Augen aus, hinter denen wiederum unzählige Augen saßen und ihn beobachteten. Er fühlte sich unwohl wie selten in seinem Leben; schließlich folgte er Justine, die sich nicht einmal nach ihm umgedreht hatte.
    Sie marschierte zu seiner Verwunderung vom Petersplatz hinunter und hielt auf ein Gebäude zu, das sich hinter den imposanten Säulengängen befand. Dort änderte sie erneut die Richtung und hielt wenig später neben der Fahrerseite eines verbeulten Fiats an, der natürlich im absoluten Halteverbot stand. Sie klopfte zweimal aufs Dach des Wagens. »Einsteigen. Ich fahre dich zu deinem Treffen.«
    Eric schüttelte missmutig den Kopf und zwängte sich ins Innere. Kaum saß er, beschleunigte Justine und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Es war eine Kunst, bei dem wenigen Verkehr keine Lücke zu finden, Eric schob es daher auf die französischen Gene seiner Halbschwester: Sie setzte sich unmittelbar vor zwei aufeinander folgende Wagen und löste eine Huporgie aus, was sie mit gerecktem Mittelfinger und haufenweise Flüchen konterte.
    »Das ist kein Stock-Car-Rennen«, grollte Eric. »Pass auf.«
    Justine steuerte einhändig, verzichtete auf Blinker und Anschnallgurt, touchierte beim Abbiegen die Stoßstange des Vordermannes. »Ah, ich liebe Rom!«, rief sie und zog an ihrer Kippe. »Es ist beinahe wie in Paris.«
    Eric gelang es nicht, das Gurtschloss einrasten zu lassen. »Wohin geht es?«
    »Lass es. Das Ding ist kaputt«, kommentierte sie seine Versuche. »Halt dich lieber am Armaturenbrett fest und nicht«, sie zeigte auf den Griff am Wagendach über der Tür, »daran. Der ist auch kaputt.« Sie bremste und zog wieder nach rechts. »Wir besuchen eine Außenstelle der Nonnen. Mehr darf ich dir nicht sagen.«
    Eric stemmte sich mit den Beinen gegen das Bodenblech und wartete darauf, dass es zu einem Unfall kam. Doch nichts passierte. Er wusste, woher er sein fahrerisches Talent hatte. Und offensichtlich hatte sein Vater es auch an Justine weitergegeben.
    Sie brausten am Ufer des Tibers entlang, überquerten ihn, dann lenkte Justine den mit neuen Schrammen an der Stoßstange versehenen Fiat in ein enges Gassengewirr. Zwischen den Häusern schimmerten immer wieder die angestrahlten Mauern des Kolosseums auf.
    In einer Seitenstraße, unmittelbar an einem Platz, hielt sie an und stieg aus. »Okay, den Rest laufen wir.«
    Eric flutschte mehr aus dem Fiat, als dass er ausstieg, befreite sich aus der Enge und besah sich die Schönheit des Viertels, in das sie ihn gebracht hatte. Er las auf einem halb verrosteten Straßenschild Via Madonna dei Monti und folgte Justine, die an kleinen Läden, Werkstätten und Cafés vorbeiging.
    Im Sommer war es hier sicherlich wundervoll, aber im Winter und zu dieser Uhrzeit befand sich kein einziger Mensch mehr im Freien. Die altertümlichen Straßenlampen warfen ihr goldgelbes Licht auf das schiefe, unebene Pflaster und schufen die Illusion, sich in einem italienischen Dörfchen zu befinden und nicht in der Metropole Rom. Was er sah, gefiel ihm.
    Vor einem Hauseingang, neben dem vier Klingelschilder aus der Zeit der fünfziger Jahre hingen, blieb sie stehen, nahm einen Schlüssel aus ihrer Tasche, sperrte die Tür auf und schnippte die x-te Kippe davon. »Mir nach«, befahl sie und ging hinein.
    Sie durchquerten einen kleinen Innenhof. Justine öffnete eine zweite Tür. Sie führte ihn durch die Räume, ohne Licht anzuschalten, stieg Treppen nach

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