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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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nicht, dass du Zeit verlierst. Geh jetzt.« Sie lösten sich voneinander. Sarai ging davon, Jean tat so, als würde er ihr winken und nachsehen, doch dabei konzentrierte er sich aus dem Augenwinkel auf den Umriss des Schattens. Er machte etwas aus, was er für ein Bein hielt. Wenn er das traf …
    Jean riss die Pistole hoch und schoss. Der Knall durchriss die Nacht – und übertönte doch nicht das Geräusch, mit dem die Kugel vom Steinkreuz abprallte. Der Mann schrie auf und rannte los, erst hinter den Karren und von dort durch das Tor.
    Wütend auf sich selbst warf Jean die Pistole weg, sein schmerzender Arm hatte ihn im Stich gelassen. Er verfolgte den Mann, hetzte durch die leeren Gassen. Vermutlich hatte Rotondas Nachfolger im Vorfeld gut dafür bezahlt, dass sich das Auftauchen der Stadtwache etwas verzögerte.
    Jean merkte sofort, dass der Mann sich nicht auskannte. Er lief blind davon, wechselte aufs Geratewohl die Gassen und manövrierte sich auf immer enger werdende Wege, die ihm kaum Möglichkeiten boten, seinen Verfolger abzuschütteln.
    Jeans Kräfte schwanden. Er musste nun alles auf eine Karte setzen. Im Laufen nahm er die Muskete vom Rücken, blieb abrupt stehen, zielte mit seinem gesunden Arm auf das rechte Bein des Mannes und drückte ab.
    Schreiend stürzte der Flüchtende.
    Jean lud nach und lief auf den Mann zu. Er hatte nicht viel Zeit, bis irgendjemand sich aus einem der umliegenden Häuser trauen und ihn möglicherweise angreifen würde.
    Die Kugel hatte die Kniescheibe durchschlagen und machte eine Belastung unmöglich, Blut rann an der Hose entlang auf das Pflaster. Die Kleidung war schlicht und dunkel gehalten, die Haare lagen unter einem dunkelgrauen Kopftuch.
    »Wer hat euch geschickt?« Jean riss ihm das Tuch vom Kopf, darunter erschien ein unrasiertes, rundes Gesicht, in dem deutlich die Angst geschrieben stand.
    »Das wusste unser Anführer, Monsieur. Wir sind Söldner«, erwiderte er sofort. Sein Akzent wies ihn als Fremden aus, der weder Italiener noch Franzose war. Aber wenigstens verstand man ihn. »Ich habe nur Befehle befolgt.«
    »Und wie lauteten die?«
    Jetzt schwieg er und hielt sich stattdessen das verletzte Bein.
    Jean trat nach ihm. »Rede!«
    »Alle töten, die wir in dem Gebäude finden«, sagte der Mann und sah Jean dabei nicht in die Augen. »Vorher mussten wir diese Bestie aus dem Keller eines alten Palazzos holen, Monsieur. Ich weiß nicht, wo es war. Ich bin nicht von hier …«
    »Hast du da eine kleine Bestie gesehen? Oder weißt du etwas von einem kleinen Kind, das sich in der Gewalt eurer Auftraggeber befindet?«
    Er klammerte beide Hände um die Wunde. »Lasst mich mein Bein abbinden, Monsieur«, bettelte er. »Ich verblute …«
    Jean drückte ihm den Lauf gegen das rechte Auge. »Erst antwortest du mir, oder ich verteile den Inhalt deines Kopfs auf der Gasse hinter dir, Söldner.«
    »Nein, Monsieur, habe ich nicht! Wirklich, ich schwöre es bei meinem Leben …« Er zögerte.
    »Aber?«
    »Aber einer von den Wächtern hat mir erzählt, dass wir uns vorsehen müssten – die Bestie hatte ein Junges, und das soll einige Tage vorher von einem anderen Untier aus dem Versteck geraubt worden sein … irgendeiner Basilika.«
    Es gab nur noch ein anderes Untier in Rom, das für diesen Raub in Frage kam. In seiner Vorstellungskraft entstanden schreckliche Bilder. De Morangiès würde diese Bestie nach seinen Vorstellungen erziehen und wieder über das Gevaudan herfallen, wie er es bis vor einem Jahr getan hatte. Oder aber der Comte setzte sich an einen ganz anderen Ort der Welt ab, um im Verborgenen seine Vorbereitungen zu treffen und in einigen Jahren nach Frankreich zurückzukehren. War deswegen Livorno sein Ziel gewesen?
    Er sah auf den Söldner hinunter. »Wenn du rechtzeitig erwachst, kannst du dich verbinden. Andernfalls hat Gott nicht gewollt, dass du überlebst.« Er schlug ihm den Griff der Pistole wuchtig gegen den Kopf. Der Mann sackte bewusstlos nach hinten.
    Jean eilte zum Anwesen zurück und stellte befriedigt fest, dass die Schwesternschaft bereits so gut wie reisefertig war. Sarai hatte ganze Arbeit geleistet. Noch immer ließen sich die Stadtwachen nicht blicken.
    Er lief in sein Gemach, um sich anzukleiden, warf Geld und Munition in einen Rucksack. Mehr benötigte er nicht, alles andere konnte er sich unterwegs kaufen.
    »Monsieur, wir sind so weit«, meldete Sarai, die hinter ihm auftauchte.
    »Das ist gut. Hier, nimm das an dich, es ist alles,

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