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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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was uns vom Sanctum geblieben ist.« Er drückte ihr eins der beiden Döschen in die Hand. »Ich werde den Comte verfolgen. Sag der Äbtissin, dass ich weiß, wo sich Florences Sohn befindet und dass ich ihn befreie.«
    »Ich komme …«
    »Allein«, fiel Jean ihr ins Wort. »Der Schutz des Ordens ist wichtiger. Ich schaffe es ohne Hilfe.«
    Sarai sah auf den blutigen Verband, über den er rasch seinen Gehrock warf, bevor er zu dem langen Kutschermantel griff. »Monsieur, Ihr seid verletzt und geschwächt.«
    »Das ist nichts. Ich habe Schlimmeres durchstanden.« Er lächelte sie an, strich ihr über die schwarzen Haare und hastete zum Stall, wo er den Fuchswallach sattelte. Sarai wich nicht von seiner Seite und half ihm bei den Handgriffen.
    »Ich werde den Comte in weniger als drei Tagen eingeholt haben.« Jean schwang sich in den Sattel und verdrängte den Schmerz, den er in seinem Arm spürte. »Stell einen Posten ab, der hier auf mich wartet und mich zu euch bringen kann.«
    »Monsieur, ich …«
    »Mach dir keine Sorgen um mich, Sarai.« Er nickte ihr zu. »Ich brauche dich hier bei den Novizinnen, bei Gregoria und Marianna. Solange du bei ihnen bist, weiß ich sie in Sicherheit.« Er lenkte den Fuchs aus dem Stall und sprengte zum Tor hinaus.

    Nicht lange danach jagte Jean über die Landstraße, die im ersten zögernden Licht des Sonnenaufgangs deutlich vor ihm lag.
    Der Vollmond war seiner Macht beraubt und hing als blasser Schatten am Himmel. Dennoch bildete sich Jean ein, ein Kribbeln in seinem Körper zu spüren, etwas, das seine Haare an den Armen dazu brachte, sich aufzurichten. Er hielt das Pferd an, nahm das Döschen mit dem Sanctum hervor und wog es in der Hand.
    Auch wenn ihm die Vorstellung nicht behagte, Heiligkeit in sich aufzunehmen, so gab es doch keinen anderen Weg, um seine Verwandlung in eine Bestie zu verhindern. Das merkwürdige Gefühl und die ungewohnte Wärme in seinen Adern warnten ihn davor, zu lange mit der Einnahme des Gegenmittels zu warten; noch stand der Mond rund am Himmel.
    Jean stieg aus dem Sattel, führte den Wallach einige Schritte weg von der Straße und band die Zügel an einen Baum. Er hockte sich daneben und versuchte sich auf das vorzubereiten, was ihm bevorstand.
    Dann öffnete er vorsichtig das Döschen. Statt der Tropfen, die er erwartet hatte, fand er ein wenig dunkles Pulver. Das erfüllte ihn mit Hoffnung – der Panter war von einem zähen Tropfen Sanctum getötet worden. Vielleicht war es also die trockene Form der heiligen Substanz, die wahre Rettung versprach. Er tippte es ehrfürchtig mit der Fingerkuppe heraus und führte sie an die Lippen.
    Ein Windhauch streifte ihn, das Pulver rieselte davon und war unrettbar verloren.
    »Verflucht!« Jean hielt das Behältnis schräg, tupfte den letzten, kostbaren Rest mit einem angefeuchteten Finger zusammen. Es war wenig, unglaublich wenig sogar. Einen dritten Versuch würde er nicht mehr haben.
    Er senkte den Kopf, lutschte die Substanz vom Finger ab und schluckte.
    27. Mai 1768, Colli Albani, Umland von Rom
    Lentolo nippte an seinem Kaffee. »Das ist alles äußerst bedauerlich, Äbtissin.« Er nahm sich einen Keks und kostete davon. »Aber wenigstens ist Rotonda nun für tot erklärt worden. Offiziell starb er bei einem Sturz die Treppe hinab. Die Beisetzung hat mir und vielen anderen Kardinälen ausnehmend gut gefallen. Selten sah man so viele zufriedene Gesichter an einer aufgebahrten Leiche vorüberziehen.«
    Gregoria, die ein dunkelbraunes, knöchellanges Kleid und die Haare streng nach hinten gelegt trug, nickte ungeduldig und wartete auf die wirklich wichtigen Neuigkeiten.
    Sie versteckten sich seit drei Wochen auf einem ehemaligen Patrizierlandgut in der Nähe eines Örtchens namens Genzano an einem idyllischen See. Die Novizinnen hatten sich von ihrem Schrecken erholt und befassten sich bereits wieder mit ihren Schulstunden. Es schien, als habe sie der Überfall beflügelt, noch härter an sich zu arbeiten, um bald in die Welt hinaus zu dürfen. Die Seraphim sorgten für ihren Schutz, Sarai hatte bereits weitere Anwärterinnen rekrutiert und bildete sie aus.
    Gregoria sah ihrem Gesicht jedoch an, dass sie sich viel lieber auf die Suche nach Jean begeben hätte. Er war nicht zum verabredeten Zeitpunkt beim Anwesen in Rom erschienen und blieb verschwunden; Judith hatte sich bereit erklärt, ihn zu suchen, und war aufgebrochen.
    »Was bringt Ihr sonst für Neuigkeiten?«, fragte Gregoria, weil sie es nicht

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