Sanctum
erkenne ich ihn?«
»Er hat schwarze Haare und trägt ein kleines Muttermal unter dem linken Auge.« Sie hob den Blick und sah Jean an. Ein hoffnungsvolles Lächeln trat auf ihre Lippen. »Mein Sohn hat Augen, die Euch sofort an Pierre erinnern werden.«
Er eilte die Treppen hinauf.
»Jean!«, hörte er die Stimme Gregorias. »Der Biss in deinem Arm …«
»Ich weiß. Ich werde mir Sanctum holen«, antwortete er im Davoneilen und verließ den Keller.
In der Eingangshalle lagen zahlreiche erschossene und aufgeschlitzte Angreifer, aber glücklicherweise keine Seraphim. Dennoch gab er sich keinerlei Illusionen hin, es hatte sicher Opfer unter den Verteidigern gegeben. Rasch eilte er zum Zimmer der Äbtissin, wo sich das Schränkchen mit dem Sanctum befand.
Die Tür hing lose in den Angeln, Qualm drang daraus hervor. Er warf einen Blick hinein und sah, dass im Inneren mindestens zwei Granaten explodiert sein mussten; die Möbel und Tische waren zerschlagen worden, überall steckten Schrapnelle in den Wänden und in der Decke.
Von dem Schränkchen, in dem sich das Sanctum befunden hatte, war so gut wie nichts mehr übrig, die Sprengwirkung hatte es vollkommen zerfetzt. Der Versuch, das Schloss mit Schwarzpulver aufzubrechen, war gründlich misslungen.
Jean wollte schon aufgeben, als ein metallisches Glänzen seinen Blick einfing. Er bückte sich und fand in dem Schutt zwei Döschen aus der Lieferung an Rotonda. Er nahm sie an sich, lief die Treppe hinunter und streifte durch die Räume.
»Monsieur, hier!«, hörte er Sarais Stimme über sich und schaute nach oben. Sie befand sich unter der Decke auf dem obersten Bücherregal und wurde erst sichtbar, als sie ihr mit Ruß geschwärztes Gesicht nach vorn in den Lichtschein hielt. »Gebt auf die Bestie Acht. Sie ist noch hier. Ich lauere ihr auf …«
»Nein, sie ist nicht mehr im Haus«, antwortete er. »Was ist mit den Männern?«
»Sie sind tot. Wir haben sie davon abhalten können, Granaten in das Dormitorium zu werfen. Diejenigen, die flüchten wollten, wurden den Schreien nach von der Bestie zerrissen. Einen Letzten, der sich versteckt gehalten hatte, habe ich erwischt, als ich mich hier auf die Lauer legte, um auf die Bestie zu warten.« Sarai sprang zu ihm hinab; sie hielt Pistolen in den Händen. »Monsieur, wir haben zwei Seraphim verloren. Machla und Naemi, zwei der Anwärterinnen. Gott möge sie in den Himmel aufnehmen und ihre Seelen mit einem Lächeln empfangen.«
»Das wird er.« Jean sah keinen Kratzer an ihr, nur ihr Gesicht wies Spuren von Ruß auf. Sie hatte sich getarnt, um mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Ihre Zähne schimmerten weiß, als sie sprach: »Wie steht es mit der Äbtissin und Marianna?«
»Alle wohlauf.« Er sah zum Hof hinaus und meinte, eine Bewegung hinter dem Kreuz zu sehen. »Es ist klar, wer hinter dem Anschlag steckt. Für Rotonda ist schnell ein Nachfolger gefunden worden, der Rache übte. Sie müssen mir doch nach dem Besuch beim Legatus hierher gefolgt sein.« Wieder sah er den Schatten … nein, es war eindeutig ein Mann, der versuchte, hinter dem Kreuz nicht aufzufallen. Zu spät. Jean kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und hoffte, dass der letzte überlebende Angreifer auf die Entfernung nichts erkennen konnte.
»Ich möchte, dass du dich mit den restlichen Seraphim der Novizinnen annimmst und sie zusammen mit der Äbtissin aus der Stadt bringst. Heute noch. Rom ist zu gefährlich geworden. Gregoria soll dir den Ort beschreiben, an dem sie die letzten Wochen verbracht hat, dort wird es sicherer sein. Lentolo wird uns dann eine neue Bleibe suchen.« Jetzt spürte er erste Schmerzen, vor allem sein Unterarm brannte vom Biss des Loup-Garou wie Feuer. »Lass dich auf keinen Disput mit der Äbtissin ein. Ihr Leben und das Überleben des Ordens sind wichtiger. Es kann sein, dass eine zweite Welle Angreifer droht.«
»Wie Ihr wünscht, Monsieur.« Sarai sah ihm nach. »Wohin geht Ihr?«
»Ich bin gleich zurück. Tu, was ich dir befohlen habe. Aber vorher lass dich umarmen, Kind.« Jean zog die vollkommen erstaunte Seraph an seine Brust und flüsterte: »Sieh nicht in den Hof – dort verbirgt sich jemand. Gib mir deine Waffe, wenn ich die Muskete von der Schulter nehme, ist das zu auffällig. Ich werde ihn mir schnappen.«
Er spürte, wie sie ihm eine ihrer Pistole in die Hand drückte, die man vom Hof aus nicht sehen konnte. »Monsieur, soll ich …«
»Nein, Sarai. Du hast deine Befehle. Ich will
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