Sanctum
Nacht auf der Suche nach dir durch das Dorf laufen.«
Maiziere lächelte und blickte abwartend zu Eric.
Er konnte nichts sagen. Kein Wort konnte das ausdrücken, was er bei ihrem Anblick empfand: eine Mischung aus Schock und Freude. Sein Herz schlug dreimal so schnell, sein Kreislauf drohte, sich für einen Moment zu verabschieden. Er hatte sie in Rom geglaubt, bei den Schwestern gehofft, sie in seinen schlimmsten Albträumen tot in der Gosse liegen sehen, blutende Einschusslöcher in der Brust und die Augen weit aufgerissen. Es gelang ihm nicht, den Salat zu schlucken, damit er etwas erwidern konnte.
Sie fiel ihm um den Hals. »Oh, ich freue mich, dich zu sehen. Hast du schon ein Zimmer?«
»Ja«, krächzte er. Sie roch eindeutig nach Severina, es gab keinen Zweifel. Wie war es ihr ergangen, wie hatte sie ihn gefunden? Was wollte sie hier? Ihr Erscheinen warf Tausende Fragen auf, die er beantwortet haben wollte. Möglichst alle gleichzeitig … und vor allen Dingen sofort! Er löste sie von seinem Hals und nahm einen Schluck Bier. »Wir sollten reden.« Eric richtete sich an Maiziere. »Bringen Sie bitte mein Essen nach oben?«
»Für mich das Gleiche wie für ihn«, bestellte sie und ging zur Treppe. Dort entdeckte sie die Bilder und hob die Augenbrauen. »Meine Güte! Sind wir in einem Horrordorf gelandet?«
»Non, Madame. Die Bestie ist schon lange tot.« Maiziere lachte herzlich. »Aber ihr Schatten wird hin und wieder in den Wäldern gesehen. Sagen Sie Ihrem Mann, dass er gut auf Sie aufpassen soll.«
Eric folgte ihr die Treppe hinauf und in sein Zimmer, schloss die Tür und lehnte sich dagegen.
Severina zog ihren Mantel aus und legte ihn über den Stuhl, setzte die Brille auf die Nase und lächelte. »Ziemliche Überraschung, was?«
»Das kann man so sagen!« Er starrte sie an – und merkte zu seiner eigenen Überraschung, dass er den Wunsch verspürte, sie in seine Arme zu ziehen. Es war die Erleichterung, sie wohlbehalten wiederzusehen. Und die Freude, inmitten all der ungelösten Probleme einen Menschen in seiner Nähe zu wissen, dem er vertrauen konnte. Aber halt: Das Zauberwort hieß Zweckgemeinschaft. »Wie hast du mich gefunden?«
»Kannst du dir das nicht denken? Die Nonnen. Hast du sie denn in der Zwischenzeit nicht erreicht?«
»Nein, ich habe ihre Nummer verloren. Mein altes Handy ist kaputtgegangen. Sie haben dich also gefunden?«
»Das haben sie.« Sie streifte das Kopftuch ab und fuhr ihm durch die langen Haare, ihr Gesicht wurde betrübt. »Aber, Eric, sie … sie haben mich zu dir geschickt, um dir etwas Wichtiges zu sagen. Sie meinten, es sei besser, wenn du es aus dem Mund einer bekannten Person … einer Freundin hörst.«
Er schluckte. »Ist etwas mit Lena?«
»Sie hat irgendeine Heilungsprozedur nicht überstanden. Der Orden hat für ihre Seele gebetet.«
Ich bin stärker als ihr Menschen, jaulte die Bestie in ihm. Wenn ihr mich vertreiben wollt, reiße ich euch alle mit in den Tod!
»Nein.« Erics Lippen hatten sich kaum bewegt. Er starrte auf Severinas Gesicht und wartete verzweifelt, dass sie sagte, sie hätte sich geirrt. Die Bestie hatte schon wieder gesiegt und Lena mit in den Tod gerissen.
Jegliche Kraft wich aus seinem Körper, er sank auf den Stuhl neben dem kleinen Schreibtisch, stützte die Ellbogen auf und legte sein Gesicht zwischen die Hände. Sein Verstand war leer, wie ausradiert und gleichzeitig übermalt mit einem Bild von Lena. Sie lächelte ihn an, während die Bestie aufheulend aus ihr hervorbrach, mit ihren Eingeweiden und ihrem Blut einen tiefroten Hintergrund malte und sich dann in nichts auflöste.
Er fühlte Severinas Hände auf seinen Schultern und wünschte sich nichts mehr, als dass es Lena wäre, die hinter ihm stand. »Es tut mir Leid«, flüsterte sie. »Es tut mir so unendlich Leid.«
Eric kämpfte gegen den Schmerz und die Wut an; die Gefühle suchten sich ihren Weg. Sein Schluchzen begann ansatzlos, es überfiel ihn und zwang ihm Tränen aus den Augen. Aus dem Schluchzen wurde ein Weinen, das sich in seiner Lautstärke steigerte, bis ihm ein Schrei aus der Kehle stieg.
Severina trat neben ihn, nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände und drückte ihn an ihren Bauch. Sie streichelte seine Haare und gewährte ihm die Geborgenheit, die er sich von Lena erträumte.
Schließlich nahm er ihr Angebot an, schlang die Arme um sie und tränkte ihren nachtblauen Pullover mit seinen Tränen, bis er keine mehr besaß.
Müde und erschöpft stand er
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