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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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zitternd in sich hinein. Was einen normalen Menschen umgebracht hätte, versetzte ihn lediglich in einen tiefen Schlaf, den nicht einmal die Bestie durchdrang.
    Sie rächte sich wie immer mit schrecklichen Albträumen vom grausamen Tod seiner Mutter, von der Attacke auf Lena, Blut, Blut und noch mehr Blut, mit Bildern von toten, abgeschlachteten Babys und den Gesichtern seiner Opfer.

    Als Eric am nächsten Morgen erwachte, lag er neben dem Bett. Stöhnend und mit dem Gefühl, sein Kopf wäre in dicke Watte gepackt, stemmte er sich in die Höhe und betrachtete sein Lager. Die Bettwäsche war teilweise zerrissen, die Laken hingen lose von der Matratze; Speichel hatte das Kissen getränkt. Die Entschädigung an den Pensionsbetreiber würde hoch ausfallen müssen. Vermutlich dachte er angesichts der Zerstörung, dass man mit der unscheinbaren Emanuela den schärfsten Sex der Welt haben konnte.
    Emanuela saß auf der Couch, die Hände im Schoß gefaltet und einen Rosenkranz zwischen den Fingern. Sie sah eingeschüchtert aus – aber dabei trotzdem nicht weniger arrogant und abweisend als sonst. »Ich habe für Ihre Seele gebetet«, sagte sie zur Begrüßung. »Sie haben schrecklich im Schlaf gewütet, geknurrt und die Zähne gefletscht. Ich dachte schon, die Bestie bricht aus Ihnen hervor.«
    »Und da beschweren sich Frauen, wenn Männer schnarchen«, ächzte er und wankte ins Bad. Eine Nacht wie diese bedeutete keinerlei Erholung für ihn, im Gegenteil. Er fühlte sich müde, weil das Beruhigungsmittel immer noch wirkte. Eigentlich verbrachte er die drei Vollmondnächte stets zu Hause, betäubt und unfähig, etwas zu tun. Ausgerechnet jetzt musste er sich in eine Situation begeben, wo ihn diese Trägheit das Leben kosten konnte.
    Eric duschte, begann mit warmem Wasser und wechselte blitzartig auf kaltes. Sein Kreislauf kam in Schwung, die Benommenheit verschwand.
    Sie frühstückten schweigend, danach stiegen sie in dicke Winterkleidung, mit der man sich in der Kälte aufhalten konnte, ohne nach einer Stunde zu erfrieren. Eric bezahlte die angerichteten Schäden im Zimmer und entschuldigte sich vielmals. Für das Geld, das sie dem Vermieter gaben, würde er sich beinahe ein neues Haus kaufen können, aber es verhinderte, dass er Fragen stellte.
    Sie erstanden in einem kleinen Laden Proviant und Thermoskannen, die sie sich im Café nebenan füllen ließen, und machten sich auf den Weg in den Nationalpark.
    Die eisige Luft tat ihm gut, mit jedem Atemzug fühlte er sich besser. Gleichzeitig beherrschte Eric die Kunst, nicht zu wach zu werden, um der Bestie so keinen Ausweg aus dem chemischen Gefängnis zu weisen.
    In Erics Erinnerung war die Stelle gespeichert, an der er die Werwölfin getötet hatte. Sie passierten den Ort auf dem Weg zur Absturzstelle. Eric sah eine Erhebung im Schnee, die – wenn man es wusste – die Umrisse eines Menschen aufwies. Die Leiche lag unter einer dicken weißen Schicht, niemand hatte sie gefunden. Wie auch?
    Eric orientierte sich, vertraute auf seine Instinkte. »Wir müssen da lang.« Er zeigte zwischen die Stämme und ging los; Emanuela folgte ihm. Dabei nahm er seinen Palmtop aus dem Innenfutter der Jacke, startete das GPS-System und markierte auf seiner Landkarte den Punkt, an der die Leiche der Werwölfin lag. Man konnte nie wissen.
    Bald standen sie auf der Lichtung, verbrannte Bäume und Baumstümpfe hoben die Stelle deutlich hervor. Das Wrack war weggeschafft worden, hier und da fanden sie Markierungsreste der kroatischen Spurensicherung; Absperrbänder flatterten im Wind.
    Eric legte den Kopf in den Nacken und schaute zu den Wipfeln. Knarrend wiegten sich die Bäume, es rauschte leise in den Ästen. »Wo haben Sie gelegen?«, wollte er von Emanuela wissen.
    »Wo haben Sie denn gesucht?«
    »Zeigen Sie mir die Stelle einfach. Vielleicht finden wir dort etwas, das uns Aufschluss über die Fremden gibt. Wenn Sie dort niedergeschlagen wurden, haben die Unbekannten Spuren hinterlassen. Darum geht es mir.« Er ließ seinen Blick über die Brandlichtung streifen. Auf die von den Rettungsmannschaften zertrampelten Spuren war Neuschnee gefallen, was es für seine Nase sehr, sehr schwierig machte, überhaupt noch etwas Entscheidendes zu finden. Zu viele Menschen, zu viele Gerüche. Zu viel vergangene Zeit.
    Emanuela wandte sich nach rechts, bewegte sich dahin, wo der Hubschrauber gelegen hatte, ging unsicher umher und bückte sich immer wieder, bis sie neben einem Baumstumpf stehen blieb.

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