Sanctum
falschen Hoffnungen hin. Es konnte eine Spur sein, aber ebenso gut ein Knopf, der dem Wildhüter bei seinem letzten Waldbesuch von der Jacke gefallen und jetzt durch Zufall mit verbrannt war.
Er würde es näher untersuchen. Später, ohne Emanuela darüber in Kenntnis zu setzen. Außerdem fehlte ihm im Augenblick die notwendige Geduld, um sich auf die Konservierung von Kleinkram, für die er Lupe, Pinzette, Pinsel und Chemikalien benötigte, zu konzentrieren.
»Haben Sie was?«, hallte ihre Stimme über die Lichtung.
»Ich dachte«, rief er zurück und warf ein Trümmerstück weg, das er ebenfalls aufgehoben hatte. »War aber nichts. Nur Schrott.« Sein Blut wurde wärmer und schmerzte wieder. Zeit für die Tropfen, unbedingt mehr Tropfen als in der Nacht zuvor, auch wenn es ihn hilflos machte. Er konnte es sich nicht leisten, noch eine Nonne zu töten. Ein zweites Mal würde ihm keiner mehr den Unfall glauben, und wenn er sie umbrachte, brauchte er einen verdammt guten Grund. »Gehen wir zurück.«
»Gern. Mir ist unglaublich kalt.« Emanuela wartete auf ihn am Ende der Lichtung, und sie kehrten in die Pension zurück.
Ihr Vermieter schenkte den beiden einen viel sagenden Blick, als sie durch den Flur an ihm vorbeigingen. Dann sprach er sie auf Englisch an. »Wären Sie so freundlich, dieses Mal weniger aufgeregt zu schlafen?«, bat er sie. »Sie haben zwar für die Schäden bezahlt, aber es bedeutet schon Mühe für mich.«
»Ich verspreche es. Es war meine Schuld, ich lasse mich beim Sex unglaublich gehen«, erwiderte Eric und zwinkerte dem Mann so übertrieben zu, dass es so aussah, als meinte er Emanuela.
»Das ist mir egal. Halten Sie sich einfach ein bisschen zurück.« Der Mann verschwand im Zimmer.
Eric und die Nonne betraten ihre Unterkunft. Ihr Vermieter hatte tatsächlich frische Bettwäsche aufgezogen. Sie befreiten sich von der dicken Winterkleidung. Emanuela hängte ihre ordentlich auf einen Bügel und in den Schrank, Eric warf Hose und Jacke einfach über einen Stuhl. Dann setzte er sich, stützte den Kopf in die Hände und schaute auf die Tischplatte. Er wünschte sich, dass das Pochen in den Schläfen endete.
Emanuela nahm ihm gegenüber Platz und schenkte den restlichen Tee ein. Sie nahm sich einen Schokoriegel und biss davon ab. »Was machen wir morgen?« Langsam schob sie ihm die Tasse herüber.
»Da wir heute nichts gefunden haben, betreiben wir morgen das gleiche Spiel«, verkündete er. »Oder wissen Sie etwas Besseres?« Er zog einen kleinen Skizzenblock aus seiner Tasche und kritzelte mit dem Kuli darauf herum.
Niedergeschlagen verneinte sie. »Keine bessere Idee.«
Eric schwieg und ließ auf dem Blatt Linien entstehen, die nach und nach zu einem geöffneten Maul wurden, in dessen Zähnen ein Strichmännchen klemmte und sich gegen die zuschnappenden Kiefer stemmte. Er tauchte den Finger in den Tee, ließ ein paar Tropfen aufs Papier klatschen und verrieb sie. Aus der Flüssigkeit und der Kulifarbe ergab sich ein schwacher, dreckiger Nebel, der sich um das Strichmännchen legte und als Wolke nach oben abzog.
Emanuela schaute ihm zu. »Ein Mann in den Fängen des Bösen, der seine Seele verliert«, interpretierte sie.
Ein stechender Schmerz traf ihn hinter dem linken Auge, schnellte durch seinen Verstand und schoss durchs Rückenmark hinab bis ins Becken. Eric ließ den Kuli fallen. »Ich werde in der Badewanne schlafen«, sagte er gepresst, erhob sich schwankend und entkleidete sich auf dem Weg ins Bad.
»Und wenn ich auf die Toilette muss?«, fragte Emanuela entsetzt.
Ihr Einspruch war ihm gleichgültig.
»Wecken Sie mich so um den späten Vormittag. Vorher wird es Ihnen nicht gelingen.« Er schob seine Kleider mit dem Fuß herein, zog die Tür zu und schloss ab. Dann nahm er seinen Kulturbeutel und kramte das Fläschchen mit den Tropfen heraus.
Die Dosis fiel hoch aus, und die Wirkung setzte beinahe sofort ein.
Gerade noch schaffte er es, in die Wanne zu steigen und sich zu setzen, da fiel ein schwarzroter Vorhang vor seine Augen. Dass sein Kopf gegen den Wannenrand schlug, spürte er nicht mehr.
Kroatien, Plitvice, 26. November 2004, 12:08 Uhr
Eric hatte es geschafft, die Badewanne nicht zu zertrümmern. Doch die Bestie hatte sich wieder gewehrt und seinem Körper gezwungen, sich dem Schlaf und der Bewegungslosigkeit zu widersetzen.
Hände und Füße schmerzten, Blut haftete daran; auch die ehemals weiße Badewanne zeigte viele rote, teils getrocknete Spuren. Mal
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