Sanctum
der Nonne zu entkommen. Außerdem, das bemerkte er wieder, mochte er sie wirklich. »Nett von Ihnen, aber es geht nicht. Ich muss meiner Schwester die Männer vom Leib halten. Bei dem aufreizenden Kleid wird sie die Kerle kaum mehr los.«
Severina machte ein bedauerndes Gesicht. »Wie schade. Dann fahre ich in die Innenstadt und suche mir ein nettes Hotel … und wer weiß, vielleicht auch eine nette Begleitung.« Sie umarmte ihn wieder. »Gibst du mir deine Handynummer?« Er nannte ihr eine ausgedachte Ziffernfolge, die sie eifrig eintippte und abspeicherte, und er notierte sich ihre. Dass er sie mochte, bedeutete noch lange nicht, dass sie sich bei ihm jederzeit melden durfte. »Danke. Ich ruf dich an, wenn ich wieder in München bin. Na, falls ich jemals wieder in München bin.« Sie küsste ihn auf die Wange, winkte und eilte zum Ausgang.
Eric sah ihr nach und erinnerte sich an die Einzelheiten ihres perfekten Körpers. Er fand sie nach wie vor attraktiv … aber erstaunlicherweise nicht mehr begehrenswert. Dieses Prädikat war einzig und allein Lena vorbehalten, auch wenn das erwachende Animalische in ihm einer schnellen Nummer nicht abgeneigt war. Der Vollmond stachelte die Bestie in ihm an.
»Sie sind erbärmlich«, meldete sich Emanuela zu Wort und schlürfte wieder laut an ihrem Wasser.
»Ich kann damit leben.« Er ließ sich wieder neben ihr nieder, setzte seine Sonnenbrille auf und starrte auf die Anzeigetafel. Wie gern würde er jetzt auf diesen Exfreund eindreschen!
Sie hatten Glück. Ihr Flug war weder delayed noch wurde er cancelled, dafür aber zu einer sehr unruhigen Angelegenheit. Es war mit Abstand der härteste Flug, den Eric bislang erlebt hatte. Die Turbulenzen, die das Flugzeug wie mit gewaltigen Faustschlägen und Tritten traktierten, bescherten selbst ihm ein flaues Gefühl im Magen.
Er sah aus den Augenwinkeln, dass Emanuela ihre Lippen lautlos bewegte: Sie betete. Sie betete, bis die Maschine aufsetzte und zum Stehen gekommen war. Ohne Aufenthalt reisten sie mit der in Zagreb wartenden Dornier 328 weiter nach Plitvice. Ebenso nahtlos konnte Emanuela ihren lautlosen Hilferuf an den Herrn wieder aufnehmen.
Mitten in der Nacht landeten sie auf dem kleinen Flughafen, von dem Eric einen Tag zuvor aufgebrochen war. Die Mitarbeiterin erkannte ihn nicht, was er sehr zufrieden zur Kenntnis nahm. Sie nahmen sich ein Taxi, warfen ihr Gepäck in den Kofferraum und fuhren in die Stadt.
Eric lief der Schweiß aus allen Poren, in seinen Adern raste Säure, die Haut brannte, als hätte er sich mit Scherben rasiert. Er nahm das Fläschchen hervor, ließ einige Tropfen auf die Handfläche laufen und leckte sie hastig ab. Die Unruhe in ihm wurde schlagartig dumpfer, wich aber nicht vollständig. Er musste sich unbedingt vollkommen betäuben, ehe die Bestie aus ihm ausbrechen konnte!
Emanuela betrachtete ihn mit Sorge und musterte sein glänzendes Gesicht.
Als das Taxi um eine Straßenecke bog, schwebte der pralle volle Mond über Plitvice und wirkte in dieser Nacht mehr als doppelt so groß wie gewöhnlich. Für Eric besaß er eine magische Anziehungskraft und leuchtete hell wie ein Flakscheinwerfer, der die Umgebung in ein lebendiges, magisches Licht tauchte. In seinen Augen bekamen die Stadt und alles andere einen Glanz, ein Leuchten, das jedem Wesen eine Aura verlieh und es besonders hervorhob, es anpries wie eine Köstlichkeit. Ein Schlaraffenland.
Ein heißer Schauer rann durch Erics Körper, er hustete und verkrampfte sich. Die Bestie in ihm tobte und schrie, verlangte nach Freiheit und Blut.
»Halten Sie an«, sagte er undeutlich zum Fahrer, als sie an einem Haus vorbeikamen, das auf Englisch mit privaten Ferienwohnungen warb. Eric taumelte mehr aus dem Auto, als dass er ging, die Umgebung verschwamm vor seinen Augen. »Die nehmen wir«, sagte er zu Emanuela und stolperte die Stufen hinauf.
Der Wirt öffnete ihnen angesichts der Dollarscheine, die sie ihm als Entschädigung für die späte Störung vor den Türspion hielten, beinahe auf der Stelle. Er zeigte ihnen das Zimmer, dann schob Eric ihn hinaus.
Er fiel auf das Bett, streifte die Kleider und Schuhe ab und wühlte sich nackt unter die Laken. Die Anwesenheit von Emanuela nahm er kaum noch wahr. Was er tat, hatte er in den letzten Jahren immer wieder geübt und mehrere hundert Mal getan: Durch einen roten Schleier hindurch zählte er die Tropfen ab, die mit unglaublicher Lautstärke in die hohle Hand platschten, und saugte sie
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