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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Officiums und suchte nach der Schreibstube oder dem Amtszimmer von Kardinal Rotonda. Wenn er Francesco nach Saugues gesandt hatte, fanden sich vielleicht Aufzeichnungen darüber in einer Schublade, aus denen sie wiederum auf den Aufenthaltsort von Florence schließen konnte.
    Den Vorschlag, dass sie an der Spitze eines Ordens stehen sollte, fand sie schlichtweg unmöglich. Es dauerte ihr zu lange, sie wollte handeln und ihr Mündel befreien, bevor die Handlanger des Kardinals was auch immer mit dem Kind anstellten. Sofern man ihr diesbezüglich überhaupt die Wahrheit gesagt hatte.
    Gregoria war sich bewusst, dass Lentolo sie angelogen haben konnte und Rotonda in Wirklichkeit ein aufrechter Kardinal war, auch wenn sie insgeheim selbst daran zweifelte. Sie hatte dennoch keinerlei Beweise gesehen, aus denen sie seine Schuld an den Vorgängen in ihrem Kloster ableiten konnte. Dieser Abend sollte ihr zumindest eine Teilgewissheit verschaffen.
    Sie schlich den Flur entlang, von dem ihr gesagt worden war. dass sich dort die Amtsstuben der Würdenträger befanden. Nach langem Suchen stand sie vor einer Tür, an der eine Tafel mit der Aufschrift Cardinalis episcopus Josephus Rotonda prangte.
    Gregoria hatte noch niemals im Leben ein Schloss ohne einen Schlüssel öffnen müssen. Dementsprechend verfügte sie über keinerlei Erfahrung im Umgang mit Dietrichen und anderen Hilfsmitteln, die ein Einbrecher besaß; auch ihr Dolch würde sie nicht weiterbringen. Ihr Blick wanderte zu dem schmalen Fenster über der hohen Tür.
    Sie bat stumm um Vergebung, erklomm die Büste von Papst Pius II. und gelangte von dessen Kopf hinauf zum Rahmen des Fensters. Da es sich nicht öffnen ließ, zerschlug Gregoria es nach kurzem Zögern mit dem Dolchknauf und schwang sich vorsichtig hindurch. Sie schaffte es, sich nicht an den letzten Splittern zu schneiden, und ließ sich auf den Boden gleiten; die Bruchstücke knirschten und knackten unter ihren Stiefelsohlen.
    Sie stand in dem dunklen Arbeitszimmer und lauschte mit rasendem Herzen, ob irgendjemand die Geräusche vernommen hatte.
    Der Mond schien durch die Fenster herein und beleuchtete einen säuberlich aufgeräumten Schreibtisch, auf dem sich Bücher und lose Papiere stapelten, einen Beistelltisch und Wände voller Bücherregale, die bis zur Decke reichten. Gregoria seufzte. Das bedeutete sehr viel Arbeit.
    Als sie es als sicher erachtete, dass niemand kam, um nachzuschauen, was diesen Lärm verursacht hatte, ging sie zum Schreibtisch und versuchte, die Schubladen zu öffnen. Da sie sich nicht öffnen ließen, nahm sie den schweren Brieföffner aus der Schale auf dem Tisch und hebelte die Schubladen auf. Es spielte keine Rolle, ob Rotonda wusste, dass jemand hier gesucht hatte. Die Tatsache, dass das Fenster zerstört war, würde ohnehin sein Misstrauen wecken.
    Gregoria durchwühlte die in Latein verfassten Papiere, die sie im Schreibtisch fand. Auf den ersten Blick gab es nichts, was in einem Bezug zu dem Legatus oder ihrem Kloster stand: Bittgesuche von Personen und Gemeinden, Aufstellungen von Priestern für alle möglichen kleineren Aufgaben in verschiedenen Pfarreien, Listen über Gelder, die zur Unterstützung der Bedürftigen an besonders arme Dörfer verteilt wurden. Dazu kamen Briefwechsel mit theologischen Inhalten, von der Interpretation von Bibelstellen und Zitaten bis hin zu generellen Fragen der Liturgie. Es sah alles harmlos aus.
    Enttäuscht setzte sich Gregoria in den weichen Sessel und dachte nach. Dann zog sie alle Schubladen heraus, tastete das Innere des Schreibtischs ab, bis sie auf eine Erhebung stieß. Sie drückte vorsichtig darauf – und im gleichen Augenblick schnappte etwas nach ihrem Finger.
    Gregoria schrie auf und befreite den Finger aus der Falle. Ein eiserner Dorn hatte sich durch den Nagel gebohrt, die Stelle brannte; Blut quoll aus der Wunde und tropfte auf die Blätter. Schnell wickelte sie ihr Taschentuch darum.
    Hinter einem Regal erklang ein Geräusch. Ein Schlüssel wurde in ein Schloss geschoben und gedreht, es klickte mehrmals.
    Gregoria schaute sich rasch um und sah nur eine Möglichkeit, sich vor einer Entdeckung zu schützen. Sie erklomm die Leiter bis zum obersten Bücherregal und zwängte sich in den schmalen Spalt zwischen Holz und Decke.
    Derweil schwang ein Teil des Bücherregals unter ihr auf, Licht fiel herein und eine verborgene Verbindungstür öffnete sich. Gregoria schaute auf die Köpfe eines braunhaarigen und eines blonden Mannes,

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