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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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eines Menschen im Nacken. Die Hand musste einem Mann gehören, denn sie umschloss mühelos ihr Genick, die Finger reichten bis nach vorn an ihren Hals und machten es ihr unmöglich, einen Hilfeschrei auszustoßen.
    »Du hattest heute Besuch«, hörte sie eine dunkle Stimme. »Von einem Franzosen. Sag mir seinen Namen, Hure.«
    Passione konnte sich vor Angst nicht bewegen. »Ich … weiß … ihn … nicht«, krächzte sie.
    Sie wurde hart mit dem Kopf gegen die raue Ziegelsteinmauer gerammt. »Weißt du ihn jetzt?«
    »Nein«, stieß sie erstickt hervor –
    – und spürte plötzlich eine ungeahnte Wut gegen ihren Peiniger aufsteigen. Sie schoss durch ihre Adern, brannte in ihren Gliedern, versorgte sie mit ungeheurer Kraft und Lebenswillen. Ein Ruck ging durch ihren Körper, fast hatte sie das Gefühl, dass sie ein bisschen wuchs, nein, das wäre unmöglich, und trotzdem, die Finger des Mannes glitten langsam von ihrem Hals, blitzschnell drehte sie sich um, holte aus, schlug nach dem Mann, schlug mit aller Wut und Kraft.
    Passione hatte zu einem Faustschlag gegen das Gesicht des Angreifers angesetzt, doch anstatt ihrer Faust sah sie eine kräftige, knöcherne Klaue mit langen, spitzen Fingernägeln …
    Und dann ging alles unglaublich schnell.
    Sie traf den aufschreienden Mann in dessen Rückwärtsbewegung und riss ihm das halbe Gesicht weg. Die scharfen Krallen schlitzten das Fleisch auf, zerschnitten das rechte Auge und die Nase. Passione stieß einen Schrei aus – und hörte ein kehliges, wütendes Kreischen, das nichts mit ihrer Stimme gemein hatte.
    Der Angreifer stolperte, fiel, versuchte, von ihr wegzukriechen.
    Er gehört mir!
    Etwas in Passione befahl ihr, ihm nachzusetzen, seine Kehle zu zerfetzen, sein Blut zu trinken, die Bauchdecke zu zerreißen und die Eingeweide zu fressen.
    Ihre Sicht veränderte sich, trübte sich ein und bekam einen rötlichen Schleier, der dem Schein der untergehenden Sonne ähnelte. Passione hörte sich knurren, sie spürte die tiefe Vibration in ihrem Körper, als sie sich über den Mann beugte und ihm das Hemd zerriss, dann erschienen sein blutiger Hals und seine Schlagader groß vor ihren Augen und –
    – sie biss zu!
    Süß und warm sprudelte das Blut in ihren Mund, sie schluckte begierig, trank voller Lust … und verlangte nach mehr. Passione riss einen Brocken aus dem weichen Fleisch heraus. Es war gut, besser als alles, was sie bislang hatte erleben dürfen. Sie richtete ihren Oberkörper auf und wollte einen euphorischen Schrei ausstoßen.
    Es krachte laut und hallend im Durchgang.
    Ein heißer Schmerz zuckte durch ihren Rücken.
    Brüllend wandte sich Passione um, die blutverschmierten Krallen zum Angriff erhoben. Aber das Brennen in ihrem Leib ließ nicht nach, es verstärkte sich sogar. Ihre Kraft schwand, und sie fühlte sich kleiner als jemals zuvor. Das Feuer ließ nach und wurde durch immense Kälte ersetzt.
    Sie sah an sich herab und stellte fest, dass ihre Kleider zerrissen an ihr herabhingen. Zwischen ihren blanken Brüsten klaffte ein drei Finger dickes Loch. »Ich …« Sie berührte die Verletzung, hob den Blick und sah den schwarzen Schemen eines Mannes, der ein Gewehr auf sie richtete. Der Umriss kam ihr vage bekannt vor. War es nicht der Fremde, der gerade eben erst …
    »Nein, bei der Heiligen Mutter Gottes! Monsieur, habt Erbarmen!«
    Der Schuss dröhnte, eine weiße Wolke quoll aus dem Lauf und beinahe zeitgleich schlug ihr etwas wie ein Hammer gegen den Kopf. Sie verlor schlagartig das Augenlicht, machte zwei Schritte in die plötzlich hereingebrochene Dunkelheit und stürzte, stürzte und versuchte noch …
    Den Aufschlag spürte Passione nicht mehr.
    Die zweite Kugel hatte ihr den Tod gebracht.

    21. September 1767, Italien, Rom
    Gregorias Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie würde gleich gegen mehrere Gesetze verstoßen, sowohl die weltlichen als auch die zehn göttlichen, aber sie hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Eine Aufgabe, die Leben rettete und Schlimmeres verhinderte, von daher hoffte sie einfach auf die Gnade des Herrn. Nicht zuletzt tat sie es auch für ihn.
    Es war dunkel, die Spätsommernacht belohnte die Menschen mit angenehmen Temperaturen für die erduldete Hitze des Tages, und ein sanfter Wind wehte die stickige verbrauchte Luft aus der Stadt.
    Gregoria hatte es tatsächlich geschafft, sich im Schutz einer Gruppe von Nonnen an den Garden vorbei Zugang zum Vatikan zu verschaffen. Nun streifte sie durch die weitläufigen Gänge des

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