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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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vor dem Kruzifix, bat Gott um Beistand. »Hilf mir, Florence vor denen zu retten, die Böses mit ihr bezwecken wollen«, flehte sie flüsternd und hob das tränennasse Gesicht zum gekreuzigten Christus.
    Doch so sehr Gregoria auch auf ein Zeichen hoffte, es geschah nichts. Keine Flammenzungen, keine Engelerscheinung, keine Epiphanie.
    Gregoria fiel der Atlas ein, der auf dem Tischchen ruhte. Vielleicht befand sich ein Gesamtverzeichnis der unterirdischen Gefängnisse darin! Doch zuerst benötigte sie einen Schluck Wasser, sie fühlte sich ausgetrocknet – vielleicht noch eine Nachwirkung des Giftes.
    Sie schenkte sich einen Becher voll, trank daraus, während sie blätterte, und besah sich jede einzelne Seite genau, ohne etwas zu finden. Es waren Karten von Europa, eine Gesamtübersicht, dann einzelne Länder, und immer wieder unterschiedlich farbige Markierungen, deren Sinn sich ihr nicht erschloss. Es gab keine Legende dazu.
    Auch in Italien fand sie diese Kreuze, Kreise und Punkte, aber eine Karte der römischen Katakomben suchte sie vergebens.
    Von draußen erklang ein lauter Knall, und Gregoria schreckte zusammen. Das Wasser schwappte durch ihre Bewegung aus dem Becher und flutete die aufgeschlagene Seite.
    Sie lauschte, bis sie sich sicher war, dass es sich um einen Fensterladen gehandelt hatte und es keine Gefahr für sie bedeutete. Erst dann bemerkte sie, was geschehen war.
    »Nein!«
    Hastig stellte sie den Becher weg und wischte mit dem Ärmel darüber, um die Flüssigkeit zu entfernen. Das dicke, harte Blatt hatte sich bereits vollgesogen – und veränderte sich. Hinter dem Blatt wurde verschwommen ein zweites sichtbar.
    Sie rieb nun vorsichtig über die Stelle, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Sie hatte sich zuerst nichts dabei gedacht, dass das Papier sehr steif, dick und an den oberen Enden nochmals verleimt war, doch jetzt verstand sie. Die Hersteller hatten damit viele Taschen geschaffen, in denen andere Seiten verborgen lagen.
    Gregoria stand auf, eilte zur Kanne mit dem Waschwasser, tauchte die Finger ein und rieb über die Klebstellen. Der Leim löste sich, und die Seitenenden ließen sich öffnen. Gregoria zog mehrere dünne Blätter hervor, auf denen mit sehr kleiner Schrift und in Latein Namen, Orte und Daten aufgelistet standen. Ihre Augen blieben an einer Zeile hängen:

    Jean Chastel, Ankunft in Rom: 19. September, sucht den Comte – Bestie?

    Ihr Herz tat einen Freudenschlag. Jetzt wusste sie, wen sie um Hilfe bitten konnte! Der Verfasser des Eintrags hatte sogar die Absteige aufgeschrieben, in der sie Jean finden würde. Gregoria senkte das Haupt. »Verzeih mir meine Zweifel an dir, Herr«, flüsterte sie, bekreuzigte sich und verließ die Unterkunft. Jetzt würde sich alles zum Guten wenden.

VII.
KAPITEL

    Kroatien, Slunj, 27. November 2004, 05.41 Uhr
    Eric erwachte, hielt die Augen aber geschlossen. Er roch die typischen Gerüche eines Krankenhauses, spürte die Nadel in seinem Arm und Verbände an verschiedenen Stellen seines Körpers.
    Sein Gaumen fühlte sich unglaublich trocken an, in seinen Gliedern raste der Schmerz – und es fehlte, wie er zu seinem Schrecken bemerkte, jede Art von Betäubung! Er hatte seine Tropfen nicht mehr genommen, und nur die Ärzte wussten, was sie ihm in die Infusion getan hatten. Sein mühsam aufgebautes Depot an Gamma-Hydroxybuttersäure war vermutlich mit entsprechenden Gegenmitteln erfolgreich bekämpft worden.
    Eric fühlte die Bestie, sie triumphierte und lachte ihn aus.
    So viel Spaß hatten wir schon lange nicht mehr, nicht wahr, Eric?, hechelte sie. Es war herrlich! Wir haben ihnen gezeigt, was sie wert sind. Was ihre lächerlichen Gewehre wert sind! Sie jaulte lang und anhaltend. Es war beinahe so gut wie in St. Petersburg, weißt du noch? Im Keller? Als ich diese Frau …
    NEIN!
    Die Bestie verstummte.
    Jemand trat neben ihn, räusperte sich, dünnes Papier raschelte, der Geruch von Druckerschwärze lag in der Luft. Man hatte Eric offenbar einen Wächter zugeteilt, der nun zurückgekehrt war. Er öffnete vorsichtig die Lider, nicht mehr als einen Spalt, um sich unbemerkt einen Überblick zu verschaffen.
    Sein Bett stand neben einem vergitterten Fenster, über ihm schwebte ein Infusionsbeutel. Zu seiner Rechten saß ein Polizist, der in einer sehr bilderreichen Zeitung las und sich gerade müde die Augen rieb; die Uhr an seinem Handgelenk verkündete, dass es auf sechs Uhr morgens zuging.
    Was war geschehen?
    Die Bestie hatte die

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