Sanctum
Version zu erzählen.
Nach zwei Stunden gaben sie sich mit seinen Auskünften zufrieden. Tomislav nickte ihm zu, Pabovic schaltete das Gerät aus und verstaute den Stift und das Papier in seiner Tasche. »Wir lassen Sie nun wieder in Ruhe, Herr Waschinsky. Bitte verlassen Sie vorerst nicht die Stadt, weil wir mit Sicherheit im Zuge der weiteren Ermittlungen noch Fragen an Sie haben werden.«
»Wann darf ich gehen?«
»Sobald die Ärzte ihr Einverständnis gegeben haben, dürfen Sie das Krankenhaus verlassen. Aber bis dahin haben wir die Ermittlungen am Tatort sicher längst abgeschlossen.« Tomislav grüßte mit einer knappen Handbewegung. »Vielen Dank. Sie haben uns sehr geholfen.« Sie standen auf und unterhielten sich leise auf Kroatisch.
»Was macht der Polizist an meinem Bett?«
»Beschützen, Herr Waschinsky. Sie sind der einzige Zeuge des Massakers. Wenn die Bande erfährt, dass einer der Gäste überlebt hat, könnte sie auf den Gedanken kommen, Sie nachträglich zu töten.« Tomislav rief den Polizisten wieder herein. »Er ist einer unserer besten Männer. Seien Sie unbesorgt.« Sie verschwanden, zurück blieben Eric und sein ungewollter Schutzengel.
Eric wollte verschwinden, und zwar so schnell wie möglich. Er wusste nicht, wie gründlich die kroatische Abteilung für Schwerverbrechen arbeitete, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sein sehr dünnes Lügengeflecht von den Ermittlern entwirrt wurde. »Holen Sie mir was zu trinken?«, bat er den Polizisten, der sich eben hingesetzt hatte.
»Sicher.« Der Mann legte die Zeitung auf den Tisch und trat auf den Flur.
Eric streifte seine Verbände ab und betrachtete die Haut. Die Wunden waren beinahe vollkommen verheilt; nur noch rosafarbene Flecken erinnerten daran, wo eine Kugel ein-und nach ihrer kurzen Wanderung durch seinen Körper wieder ausgetreten war. Er stand auf, zog sich die Infusionsnadel aus dem Arm und stellte sich hinter die Tür. Als sie geöffnet wurde und der Polizist eintrat, schlug er ihn von hinten nieder, danach entkleidete er ihn und zog die Uniform an. Den nackten Polizisten legte er in sein Bett und deckte ihn zu. Den Pflegern würde der Austausch auf den ersten Blick nicht auffallen, hoffte er.
Im Nachttisch entdeckte er den verkohlten Anhänger, seinen Geldbeutel, das Handy und andere persönliche Gegenstände. Die Waffen fehlten.
Mit der Wasserkanne in der Hand verließ er das Zimmer und ging durch die Korridore, stellte die Kanne irgendwann ab und stieg in den Fahrstuhl, der ihn nach unten brachte.
Die verspiegelte Innentür zeigte ihm einen übernächtigten Polizisten, der tiefe Augenringe hatte und alles andere als Vertrauen erweckend aussah. Eine gute Tarnung. Jeder würde seinen Befehlen sofort Folge leisten, um ihn schnell wieder loszuwerden.
Wieso willst du ein schwacher Mensch sein?, heulte die Bestie in ihm. Sieh dich an! Du könntest mit mir zusammen so viel erreichen. Lass mich frei, lass mich gehen und überlass dein Leben mir! Du wirst so viel Macht und Reichtum erlangen, dass du nicht mehr weißt, wohin mit beidem. Und Frauen, Eric, du wirst unendlich viele Frauen haben, die alles tun, was du von ihnen verlangst! Sie werden dir hörig sein. Lena wird dir hörig sein, sie wird sich dir unterwerfen. Lass nicht zu, dass die dreckigen Nonnen sie …
Erics Faust schlug mit Wucht gegen die Tür. Eine Delle verzerrte sein Spiegelbild. Die Bestie schwieg abrupt – und doch stand Eric der Schweiß auf der Stirn. Seine Beherrschung begann bereits, brüchig zu werden. Er brauchte seine Tropfen. Dringend!
Im Erdgeschoss angekommen, ging er langsam und unauffällig den Flur entlang, verließ das Krankenhaus und suchte nach dem Streifenwagen, dessen Schlüssel er in der Hand hielt.
Sein Plan war einfach: weg hier. Raus aus Kroatien. Und sicher nicht so schnell wieder mit der Schwesternschaft zusammenarbeiten. Die Nonnen hatten ein Problem in den eigenen Reihen, und solange das nicht behoben war, brachte er sich durch die Kooperation unnötig in Gefahr. Er würde Faustitia davon in Kenntnis setzen, wenn er Lena besuchte. Lena … Ja, er musste nach Rom und sie sehen. Niemand würde ihn daran hindern, nicht ohne schwere Verletzungen und den Verlust einiger Körperteile zu riskieren.
Allerdings besaß er in Rom keinen Vertrauten, der ihm helfen konnte, und Anatol hütete das Anwesen in St. Petersburg. Dabei war er dringend auf Beistand angewiesen, auf einen Menschen, der ihn bei seinem Vorhaben unterstützte. Seine
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