Sanctus Satanas - Das 5. Gebot: Thriller (German Edition)
Es ist
ein Schatten ohne Gesicht. Er sieht Lena nicht.
Ein Mönch in einer dunklen Kutte. So viel kann Lena
erkennen, als sie Marie helfen will, als sie zu ihr läuft.
Marie dreht sich auf den Rücken und spreizt die nackten
Beine, krallt ihre Finger in den Sand und bäumt sich auf und schreit. Ihr Kleid
und ihre Beine sind blutverschmiert, ihre Vagina ist weit geöffnet, so als …
Der große Stein, als der Mönch zuschlägt, zertrümmert
Maries Schädel. Sie reißt die Augen auf. Da ist noch ein schwaches Aufbäumen,
ein stummer Schrei, nur ein leises Klirren wie das Splittern einer Seele.
Dann ist Marie ganz still.
Lena bleibt stehen, presst die Hände vor den Mund.
Zärtlich wischt er Marie eine Haarsträhne aus dem
Gesicht, so, als ob es im leidtäte, als ob es ihn schmerzte.
»Verzeih mir, Marie.«
Dann schlägt er wieder zu, wieder und wieder.
Lena keucht.
Er sieht hoch.
»Pater Jerome!«
Einen Augenblick hängen ihre Blicke ineinander. Dann
läuft Lena panisch davon. Aus dem Augenwinkel sieht sie, wie er den Stein
nimmt, mit dem er Marie erschlagen hat, und ihr folgt.
Sie findet ihr Fahrrad am Waldrand nicht sofort und
sieht ihren Verfolger nicht, als sie hinter sich blickt, aber er muss da sein.
Endlich entdeckt sie das Fahrrad und fährt panisch über den Waldweg davon.
Die Wipfel der Kiefern verdunkeln die Abenddämmerung.
Vielleicht nimmt er eine Abkürzung und lauert ihr auf. Jemand kommt ihr auf dem
Waldweg entgegen. Sie bemerkt es kaum.
Die Panik lässt sie noch schneller fahren, obwohl der
Weg fast nicht mehr zu erkennen ist.
Wurzeln haben sich in den Schotter gegraben, bringen
das Fahrrad ins Schlingern, lassen sie stürzen.
Schmerz durchzuckt ihren Körper. Sie kann sich nicht
abfangen, rollt über den Boden.
Der Abhang reißt sie in die Tiefe.
*
»Ich
habe damals dein Fahrrad gefunden, Lena.«
Pater Jeromes dunkle Stimme rief sie in die Gegenwart
zurück. Er saß noch immer auf dem Sand und blickte zu ihr hoch. »Ich war mir
sicher, den Sturz den Abhang hinunter konntest du nicht überlebt haben.«
Lena sah ihn an. »Schultergelenk gebrochen,
Schädelhirntraume und fünf Monate Koma. Als ich aufgewacht bin, musste ich
alles neu lernen, Laufen, Sprechen …«
David berührte Lena am Arm. »Du bist mit dem Fahrrad
an jenem Abend an mir vorbeigefahren, Lena. Pater Jerome habe ich allerdings
nicht gesehen und deinen Unfall auch nicht. Und dann habe ich Maries Leiche am
Strand gefunden. Sie war … Sie …« Er schüttelte den Kopf, als ihm die Worte
fehlten.
Pater Jerome nahm Amelies Strickjacke neben sich aus
dem Sand. »Amelie.« Seine Finger umklammerten die weiche weiße Wolle. »Zu dem
Zeitpunkt wusste ich ja noch nicht einmal, dass es dich gab, Amelie. Marie
hatte sie in der Kapelle geboren, Lena. Die Polizei hat sie später gefunden,
blau angelaufen und unterkühlt. Das zweite Kind hat Marie nicht mehr gebären
können. Vielleicht hat sie ja nicht einmal gewusst, dass sie mit Zwillingen
schwanger war. Es … es war ein Junge. Er ist an jenem Abend mit seiner Mutter
gestorben.«
Lena wandte sich ab, als ihr übel wurde.
»Aber warum die Lüge mit dem Bischof?« Ispettore
Viscontis italienischer Akzent hatte in diesem Augenblick etwas von einer
anderen Welt. »Warum haben Sie Maries Bruder Jan Herzog erzählt, dass der
deutsche Bischof, der jetzt unser Papst ist, Marie getötet hätte. So ist es
doch? Sonst wäre Jan Herzog doch jetzt nicht in Rom und …«
Pater Jerome mied seinen Blick. »Ich habe Jan das
nicht erzählt. Nur vor Pater Nathan habe ich behauptet, dass der Bischof Maries
Mörder sei. Nathan war der Einzige, der mich gesehen hat, als ich nach der …
nach der Sache mit Marie an jenem Abend völlig aufgelöst zum Kloster
zurückkehrt bin. Er sah das Blut an meinen Händen und wollte wissen, was
geschehen war. Es war doch naheliegend, den Bischof zu beschuldigen, so oft wie
Marie und er zusammen gesehen worden waren. Außerdem war der Bischof wegen des
Erntedankfestes an jenem Abend im Dorf. Nathan hat die Lüge sofort geglaubt,
als ich ihm als Beweis eine Armbanduhr des Bischofs geliefert habe, die er aber
in Wahrheit nicht bei Maries Leiche, sondern irgendwann einmal bei uns im
Kloster verloren hatte. Gemeinsam sind Nathan und ich danach zum Strand
gegangen und haben dort David bei Maries Leichnam gesehen.«
»Und damit war die Sache klar, ja?« Davids Stimme war
nur ein Zischen. »Ich musste als Täter herhalten, um den Bischof zu schützen
und einen
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